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Gottes Zorn (German Edition)

Gottes Zorn (German Edition)

Titel: Gottes Zorn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olle Lönnaeus
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Frau ihm eine zerdrückte Zigarette, die sie aus ihrem Pelzmantel hervorgezaubert hatte. Er zündete sie mit einem Feuerzeug an und sog den Rauch in die Lungen ein. Ein herber, leicht süßlicher Geruch breitete sich im Holzschuppen aus.
    Nach einigen weiteren Zügen sagte er gedehnt: «Nein, Mårten war der undurchschaubarste Kerl, der je auf dieser Erde herumgelaufen ist.» Er folgte mit seinem Blick einem Rauchkringel und grinste breit. «Verdammt gutes Gras. Eigener Anbau.»
    «Aber Sie haben ihn getroffen?»
    «Ja, wir haben einiges zusammen gemacht. Geschäfte, kann man wohl sagen. Und natürlich hatten wir die Kunst.»
    «Die Kunst?»
    Er sog noch mehr Rauch ein und blinzelte in Joels Richtung, während der zwischen Daumen und zwei Fingern steckende Stummel des Joints schwarz anlief.
    «Mårten war eine Künstlerseele. Missverstanden von seiner Zeit. Aber ich muss zugeben, dass ich seine alten Motive lieber mochte. Die schönen Damen. Sie hatten … wie soll ich sagen … mehr Fleisch auf den Rippen.»
    Die grauhaarige Frau räusperte sich und spuckte auf den Boden. Sie hatte sich einen eigenen Joint angezündet und war in einen abgewetzten Sessel neben dem Hackklotz gesunken, von wo aus sie ihren Mann anschaute, als stünde er auf einem Podest. Vielleicht war sie es gewohnt, ihm zuzuhören. Irgendetwas an seinem Tonfall, seiner Art zu sprechen, hatte sich plötzlich verändert. Die Frau machte den Eindruck, als erwartete sie eine Fortsetzung.
    «Wissen Sie, warum er angefangen hat, diese Mohammed-Bilder zu malen?», fragte Joel.
    Der Prediger zog eine Augenbraue hoch. «Das ist doch wohl klar.»
    «Geld?»
    «Davon geh ich aus. Doch ich glaube, da hat er sich verrechnet. Denn Künstler werden selten zu Lebzeiten reich.»
    Er warf die Kippe in ein Glasgefäß mit gelbbraunem Wasser, in dem bereits eine Menge anderer Kippen schwammen. Die Frau stand rasch auf und reichte ihm ihren Joint.
    «Sie hätten Ihren Vater nicht so vernachlässigen sollen», sagte der Prediger und wirkte mit einem Mal anklagend.
    Gegen seinen Willen verspürte Joel einen Stich in der Brust.
    «Wenn Sie wüssten …», murmelte er, kam jedoch nicht weiter, weil er unterbrochen wurde.
    «Mårten hatte mit seinen Dämonen zu kämpfen! Er durchlitt Höllenqualen, wie sie sich keiner vorstellen kann. Er wanderte mehr Tage und Nächte durch das Tal der Todesschatten als irgendein anderer Mensch auf dieser Welt. Mårten wurde mit einer Finsternis im Herzen geboren. In seinem Körper tobten so entsetzliche Orkane, dass es geradezu ein Wunder ist, dass sie ihn nicht schon lange zuvor zerrissen hatten. Aber er hat gekämpft …»
    Der Prediger verstummte und fixierte Joel mit seinem Blick. Sein Brustkorb hob und senkte sich. Jetzt weiß ich, warum du so genannt wirst, dachte Joel und blickte geradewegs in die hellen Glubschaugen.
    Die Frau im Sessel lächelte ihren Mann ausdruckslos an.
    «Erzähl ihm von Helga», forderte sie ihn mit leiser Stimme auf.
    Der Prediger nickte. Langsam sog er drei tiefe Züge ein und ließ den Rauch in Kringeln durch die Nase wieder hinausdringen. Dann legte er den Kopf in den Nacken, als suchte er oben an den Dachbalken nach etwas.
    «Doch in seinem Inneren existierte nicht nur Dunkelheit», sagte er träumend. «In der letzten Zeit gab es auch Licht. Er hatte das Licht erblickt, so kann man wohl sagen.»
    Plötzlich zuckte es in seinem Körper, als hätte er einen elektrischen Schlag bekommen oder einen epileptischen Anfall erlitten. Ohne Vorwarnung stürzte er aus dem Holzschuppen.
    Joel drehte sich verwundert zu der Frau im Sessel um. Sie stand gemächlich auf.
    «Mårten hatte jemanden kennengelernt», sagte sie. «Helga Norlin heißt sie. Mehr wollte Torsten nicht erzählen. Zumindest nicht heute. Es ist das Beste, wenn Sie jetzt schnell von hier verschwinden.»
    Als sie an Joel vorbeiging, legte sie ihm eine kalte Hand auf die blutige Wange.
    «Gehen Sie jetzt. Einmal kann ich ihn zurückhalten. Aber ein zweites Mal vielleicht nicht.»
    Dann huschte sie durch die Tür hinaus.
    Kurze Zeit später stapfte Joel durch den Schnee. Es war dunkel geworden. Vor seinem inneren Auge sah er einen aufgeschlagenen Taschenkalender, in den eine Anzahl von Namen in unterschiedlichen Farben hineingekritzelt worden waren. Zwei von ihnen hatte er heute gehört: Torsten und Helga.

Kapitel  8
    D er junge Mann betrachtet lange sein Spiegelbild. Er ist nicht ganz zufrieden mit dem, was er sieht. Eigentlich sollte der Bart

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