Gottes Zorn (German Edition)
nur wenige Dinge von Wert zustande gebracht. Aber vielleicht doch wenigstens etwas. Karl Månzon in Simrishamn hat mich darüber aufgeklärt, dass meine übel verleumdeten und verurteilten Bilder einen bedeutenden Wert auf dem internationalen Kunstmarkt erreichen können. Darum hege ich eine gewisse Hoffnung, wenigstens im Tod bei einigen von den Personen, denen ich so viel Schaden zugefügt habe, Wiedergutmachung leisten zu können.
Laut Gesetz bist du, Joel, derjenige, der meine Bilder, mein Haus und meine übrigen Habseligkeiten erbt. Ich hoffe, dein Erbe bringt dir eine einträgliche Summe ein.
Aber ich stehe auch noch bei anderen in der Schuld, die ihren Anteil von meinem Vermächtnis erhalten müssen. Darum schreibe ich jetzt mein Testament:
Siw Wollgren, mein lieblicher Singvogel, soll mein Akkordeon der Marke Walter bekommen. Ihr gelingt es, Töne aus ihm hervorzulocken, wie es mir nie gelungen ist. Siw soll ebenfalls eines der zehn Bilder aus meiner Kollektion vom Propheten Mohammed bekommen. Acht davon befinden sich noch in meinem Besitz, nachdem ich zwei veräußert habe.
Rakel Olsson, der Ärmsten, vermache ich aus Gründen, auf die ich hier nicht näher eingehen möchte, ebenfalls ein Bild aus derselben Serie.
Helga Norlin verdanke ich die Gnade, das Licht zu erblicken. Bisweilen habe ich andeutungsweise einen Blick auf den Gott werfen können, von dem sie so warmherzig spricht. Doch befürchte ich, dass meine Hinwendung so spät im Leben eingetreten ist, dass ich auf nichts anderes hoffen kann, als im ewigen Fegefeuer zu brennen, wenn du das liest. Helga soll ebenfalls ein Bild aus der Mohammed-Kollektion zuteilwerden sowie sämtliche Werke aus meiner Auferstehungs-Serie.
Ängstlich war ich schon immer. Vielleicht ist die Angst vor dem Tod die Wurzel meiner Bosheit. Ich kann nur hoffen, dass ich sie dir nicht vererbt habe, Joel. Jetzt, wo das Ende naht, habe ich noch mehr Angst als je zuvor, das muss ich zugeben.
Deiner Mutter Elna gegenüber hätte ich mir nichts sehnlicher gewünscht, als Wiedergutmachung zu leisten. Aber leider ist das nicht möglich. Kurz nachdem sie uns verlassen hat, habe ich die Nachricht erhalten, dass sie sich das Leben genommen hat. Auch das hätte ich dir mitteilen müssen. Jetzt kann ich nur noch auf die Vergebung meiner Sünden hoffen.
Meine Briefe hast du nie beantwortet, Joel. Ich vermute, dass du sie weggeworfen hast, und ich nehme es dir nicht übel, auch wenn es schmerzt. Ich hätte dich schon vor langer Zeit aufsuchen müssen, aber jedes Mal hat mich der Mut verlassen. Deinem berechtigten Zorn habe ich nie gewagt zu begegnen.
Am Ende noch ein paar Worte zu dem Mord, dessen man mich beschuldigt hat. Der Brief eines toten Mannes an die Lebenden sollte schließlich Geständnisse beinhalten.
Ich gebe alle Sünden zu, die ich an dir, deiner Mutter und anderen begangen habe.
Jedoch muss ich betonen: Dragan Djelic habe ich nicht getötet.
Wem sein Blut an den Händen klebt, weiß ich nicht, auch wenn ich meine Vermutungen habe. Dragan war genau wie ich ein Sünder. Er hatte seine Gründe, aber nicht genügend Verstand, um um sein Leben zu fürchten.
Mårten Lindgren
PS
: Meine Leiche soll nicht in der Erde begraben und von Würmern zerfressen werden. Verbrannt werden möchte ich, und meine Asche soll vom Winde verweht werden – endlich frei.
Zweimal musste Joel das Testament durchlesen, bevor er sich davon losreißen konnte. Wem gehörte die Stimme hinter diesen Worten? Er versuchte sie zuzuordnen, aber es gelang ihm nicht. Diese theatralische Sprache, war das Mårtens eigene oder etwas, das er sich irgendwann zugelegt hatte? Eine Art Schauspielerei, vielleicht ein Mittel, um sich gegen die Angst zu wappnen?
Kenne ich diesen Mann überhaupt, der aus dem Tod zu mir spricht?, dachte Joel. Habe ich ihn jemals gekannt?
Ihm fiel ein, dass er nichts darüber wusste, wo Mårten eigentlich herkam. Über seine Wurzeln, seine Vorfahren. Absolut gar nichts.
Joel schüttelte langsam den Kopf.
Aber es ist sein Blut, das in meinen Adern fließt, dachte er.
«Ich denke, es wäre angemessen, wenn ich ebenfalls am Inhalt teilhabe», sagte Urban Berelius.
Während der Rechtsanwalt die Briefbögen durchlas, versuchte Joel sich Mårtens Frauen zu vergegenwärtigen.
Drei von ihnen hatte er geliebt, oder zumindest eine Art Leidenschaft mit ihnen erlebt. Siw, Rakel und Helga.
Die vierte hatte ihn gehasst.
Elna, Joels Mutter.
Das musste sie doch wohl getan haben,
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