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Gottesdienst

Titel: Gottesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gardiner
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kurz mit ihr sprechen. Es ist alles in Ordnung.«
    Ich sagte ihm, er solle weiterspielen, ging nach draußen und zog die Tür hinter mir zu.
    »Wie hast du mich hier gefunden?«, fragte ich.
    »Da warst nicht zu Hause, da hab ich mir gedacht, dass du bei Jesse bist.«
    »Er steht überhaupt nicht im Telefonbuch. Wer hat dir verraten, wo er wohnt?«
    »Ich habe alle Blackburns im Telefonbuch angerufen, bis ich seine Eltern erreicht habe. Ich sagte ihnen, ich wäre von FedEx und hätte ein Paket für ihn. Seine Mutter hat mir die Adresse genannt.«
    Ich ballte die Fäuste. Jesse würde ein ernstes Wort mit seiner Mutter reden müssen, vorausgesetzt, er erwischte sie einmal, wenn sie nüchtern genug war.
    »Keiner weiß, dass ich hier bin. Wirklich. Evan, bitte.«
    Sie wirkte völlig fertig. Ihre Augen hatten ein dunkles Leuchten – der Blick eines Spielers, der weiß, dass er alles auf die letzte Karte setzt.
    »Ich geb dir zwei Minuten«, sagte ich.
    »Die Standhaften sind ein Haufen von Lügnern, das weiß ich jetzt. Ich war so dumm. Alles was passiert ist … es tut mir so leid. Es tut mir wirklich, wirklich leid.«
    Hinter mir ging die Tür auf. Luke hatte die Hand an der Klinke. »Mami?«
    »Hallo, mein Kleiner.«
    Ich wartete nur darauf, dass sie wieder ihre Muttertier-Nummer abzog, ein zuckersüßes Lächeln aufsetzte und ihm zärtliche Worte ins Ohr hauchte. Aber sehr zu meinem Erstaunen blickte sie ihn einfach nur niedergeschlagen an.
    »Wie geht’s dir, Süßer?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ganz gut.« Dann trat er vor die Tür. »Und wie geht’s dir?«
    »Nicht so toll.«
    Der Moment zog sich hin. Der Schmerz stand ihr ins Gesicht geschrieben, aber das war mir egal. Ich legte meinen Arm um Luke und starrte sie herausfordernd an.
    »Wir haben Frettchen im Haus«, sagte Luke.
    »Echt? Wie ungewöhnlich«, sagte sie. »Normalerweise hat man Mäuse oder vielleicht mal ein Opossum.«
    »Sie heißen Pip und Oliver, aber Tante Evvie will nicht, dass ich sie anfasse.«
    Tabitha blickte verblüfft drein. »Da hat sie auch recht, die Tiere sind wahrscheinlich schmutzig.«
    Lukes Finger krallten sich in meine Hemdschöße. »Ich bleib bei Tante Evvie, ich komm nicht mit dir mit.«
    Sie erbleichte, selbst aus ihren üppigen Lippen wich das Blut. Auf diesen Gesichtsausdruck hatte ich neun Monate warten müssen: Sie schämte sich. Sie blinzelte, senkte dann den Blick und knetete ihre Hände. Ich schwieg; ich würde ihr keine goldene Brücke bauen.
    Dann raffte sie ihren Mut zusammen. »Was beim letzten Mal passiert ist, als ich wollte, dass du mit mir kommst …« Sie schluckte und ging in die Knie, damit sie ihm in die Augen schauen konnte. »Das war falsch von mir, es tut mir leid.«
    Luke ließ mich immer noch nicht los. Er sagte kein Wort.
    »Ich werd das nicht mehr tun.«
    Sie sah zu mir auf. Ist das okay?, schien ihr Blick zu fragen. Ich hielt Luke fest und gab ihr keine Antwort.
    »Brian ist unschuldig. Ich kann es beweisen.«
    Ich holte tief Luft und bat sie herein.
     
    »Erzähl mir alles«, sagte ich.
    »Brian ist nur der Sündenbock. Es war jemand anders, der Pastor Pete umgebracht hat, und die Kirchenführung weiß das auch.«
    »Wer?«
    Sie lugte in die Küche. »Kann ich vielleicht was zu essen haben, ich bin am Verhungern.«
    »Du hast doch kistenweise Konserven in deiner Garage.«
    »Ich kann nicht zu mir nach Hause zurück. Sie beobachten das Haus. Ich hab seit gestern nichts mehr gegessen.«
    Sie sah tatsächlich abgemagert und ziemlich bleich aus. Ich schob sie in die Küche.
    Beim Anblick der Tiere blieb sie stehen. »Oh, sind das -«
    »Frettchen. Frag besser nicht.«
    Ich machte ihr einen Teller zurecht: die Reste vom Abendessen und Sandwiches, dazu eine Tüte Milch. Sie schlang alles herunter. Luke beobachtete sie mit kaum verhohlener Neugierde.
    »Ich hab mich heute Morgen nur mit den Klamotten, die ich am Leib trug, aus Angel’s Landing davongemacht. Mein Geld und mein Ausweis sind immer noch dort im Schließfach. Aber ich hab die ganze Zeit meinen Autoschlüssel im Schuh versteckt mit mir rumgetragen, also habe ich mich zu meinem Auto geschlichen und bin abgehauen.«
    Ihre Hände zitterten, als sie sich das Essen in den Mund schaufelte. »Seit Pastor Petes Tod waren wir auf Ration gesetzt. Wir bekamen nur was von den Notfallvorräten, um zu verhindern, dass wir vergiftetes Essen zu uns nehmen. Falls die Regierung das Wasser verseucht hatte, meinte Chenille. Unsere Kampfbereitschaft

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