Gottesdienst
seinem Sockel hinter dem Zaun ruhte, die unauffälligen gelblichen Bürogebäude und Laborkomplexe mit ihren Flachdächern. Nur die Pappeln waren gewachsen.
Am Flughafen parkten wir in der Nähe des Kontrollturms und liefen den restlichen Weg bis zu den Start- und Landebahnen. Jets und Kampfhubschrauber glänzten in der Sonne. Treibstoffgeruch stieg uns in die Nase. Mit orange glühenden Triebwerken hob ein Harrier-Senkrechtstarter vor uns ab. An der Innenwand von einem der Hangars konnte man das aufgemalte Emblem eines Geschwaders erkennen: VX-9 Vampires. Was Tabitha wohl davon gehalten hätte? Luke senkte den Kopf und schützte sich mit den Handflächen gegen das gleißende Sonnenlicht.
»Hier.« Ich nahm meine Sonnenbrille ab und setzte sie ihm auf. Sie war ihm viel zu groß, er sah damit aus wie die Miniaturausgabe eines Blues Brother. »Besser so?«
Hinter uns ging eine F/A-18 heulend zum Landeanflug über. Luke presste sich die Hände auf die Ohren. Kurz darauf landete mit quietschenden Reifen eine zweite Hornet.
»Das ist dein Dad.«
Brian parkte, ließ die Triebwerke auslaufen, und dann brachte ein Gefreiter eine Leiter, damit er aus dem Cockpit klettern konnte. Als er von der letzten Sprosse sprang, legte ich Luke die Hände auf die Schultern. So sollte er seinen Vater sehen: neben einem Kampfjet, mit Fallschirmgurten und Überlebensausrüstung, die ihm von den Schultern hingen, und dem Helm unterm Arm. Als Kämpfer, Beschützer und Verteidiger der freien Welt. Ich bekam einen Kloß im Hals. Aber in dem Moment war mir egal, wie kitschig oder sentimental das war.
So ging es mir immer, wenn ich einen Luftwaffenstützpunkt besuchte. Schon damals, als ich noch klein war und unser Vater uns mitnahm, um die Kunstfliegerstaffel der Blue Angels zu bewundern. Als sie wie ein Wirbel aus Turbinendröhnen, glänzendem Metall und akrobatisch schönen Flugfiguren über unseren Köpfen vorbeischossen, drückte Brian meinen Arm und flüsterte: »Eines Tages werd ich da drin sitzen.«
Jesse nannte ihn Captain America. Und er hatte verdammt recht damit.
Brian und der schwarze Pilot aus der ersten Maschine unterhielten sich, während sie auf uns zukamen. Als Brian Luke entdeckte, winkte er ihm zu. »Hallo, mein Großer. Darf ich euch Commander Marcus Dupree vorstellen?«
Dupree strahlte Ruhe und Kraft aus. Er schaute einem direkt in die Augen, hatte einen festen Händedruck und eine angenehm sanfte tiefe Stimme. »Das ist also der berühmte Luke Delaney.« Er setzte Luke seinen Helm auf.
Brian lächelte, obgleich seine Gesichtszüge die Anspannung verrieten. Dann erklärte er uns, dass Duprees Funkname »Dupes« war. Er gab ihm den Helm zurück und nahm Luke bei der Hand. »Komm, ich zeig dir die Hornet.« Sie gingen auf das Kampfflugzeug zu. Brian erläuterte die Besonderheiten der Flügel, die Instrumententafeln, hob Luke auf seine Schultern und zeigte ihm das Doppelleitwerk.
»Wie ist dein Funkname?«, fragte Luke.
Brian deutete auf sein Namensschild: Brian Delaney, LCDR USN, »SLIDER«. »Kannst du das lesen?«
»Das bist du«, antwortete Luke.
Dupree und ich hielten uns im Hintergrund. »Ich habe gehört, was gestern passiert ist«, wandte er sich schließlich an mich. »Das war ja eine schöne Heimkehr.«
»Allerdings.«
»Die beiden sehen ziemlich fertig aus. Bleiben Sie noch ein bisschen hier?«
»Ein paar Tage noch.«
»Besteht vielleicht auch die Möglichkeit, dass Sie länger bleiben?«
»Wieso?«
Seine Stimme klang so beruhigend wie die eines Radiomoderators im Nachtprogramm, aber was er sagte, passte nicht dazu. »Ich kenne Ihren Bruder schon sehr lange. Und ich muss Ihnen sagen, dass er mit seinen Nerven ziemlich am Ende ist.«
»Er hat eine schwere Zeit hinter sich«, antwortete ich, vielleicht etwas zu bestimmt. »Ich weiß, eine Scheidung ist nicht so schlimm wie ein Kampfeinsatz, aber es ist durchaus eine bittere Angelegenheit.«
»Im Leben gibt es für jeden von uns schwere Zeiten. Aber es ist sehr gefährlich, wenn man Geschmack an den bitteren Angelegenheiten findet.«
»Was wollen Sie damit sagen, Commander?«
»Mein Name ist Marc.« Er lächelte kurz. »Was ich sagen will, ist, dass Brian seinen Kopf gerade in ein Säurebad steckt. Sie sollten ihm helfen, zur Ruhe zu kommen und etwas Abstand zu gewinnen, bevor ihm der Helm abbrennt.« Er machte eine kurze Pause. »Bevor er so durcheinander im Kopf ist, dass er eine richtige Dummheit begeht, sei es in der Luft oder am
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