Gottesdienst
jeher gesorgt. Dass ich jetzt auch noch Remakes in der zweiten Generation erlebte, konnte ich überhaupt nicht gebrauchen.
Ich ging zurück ins Wohnzimmer. Lukes Abendessen vertrocknete auf dem Teller. Ich setzte mich neben ihn. »Wie geht es dir, Champion?«
»Mir ist kalt.«
Ich kuschelte mich neben ihn auf das Sofa. Er wand sich, seufzte schwer und starrte mit fiebrigen Augen ins Leere.
Ich schaltete den Fernseher aus. »Na, sag schon, was ist los.«
Er war völlig verspannt. Ich küsste ihn sachte aufs Haar. »Du kannst es mir ruhig erzählen.«
Seine Stimme war kaum hörbar. »Ich hab die Papiere in die Tasche hinter deinem Sitz gesteckt.« Und dann noch leiser: »Es tut mir leid.«
»Das ist schon okay. Ich bin nicht wütend auf dich. Aber von jetzt an musst du meine Sachen dort lassen, wo ich sie hinlege, ja?«
Ein kurzes Nicken, aber keine Entspannung. Ich nahm ihn in den Arm. »Was noch?«
»Die Frau bei meiner Mutter hat gesagt, dass ich böse bin. Hat dich die Polizei deshalb verhaftet?«
»Nein.« Um Gottes willen. »Überhaupt nicht. Du hast nichts Falsches gemacht. Im Gegenteil, du warst heute sehr mutig. Deine Mutter hat gelogen, und die Frau, die bei ihr war, auch. Sie war diejenige, die was Böses getan hat.«
»Sag ihr das.« Dicke Tränen füllten seine Augen und kullerten auf die Decke. »Du musst der Frau sagen, dass ich nicht böse bin.«
Ich spürte, wie sich in meiner Brust alles zusammenzog. »Das hab ich schon getan.«
Er blickte auf. »Echt?«
»Ja.« Ich wischte seine Tränen mit dem Daumen fort. »Hör mal, manchmal können Erwachsene richtig gemein sein. Dann sagen sie Dinge, die sehr verletzend sind. Wenn das passiert, musst du daran denken, dass die Menschen, die dich lieben, ohne jeden Zweifel wissen, was für ein großartiger Junge du bist.«
»Ist Mami auch gemein?«
Gerade in dem Moment betrat Brian das Zimmer, er trug jetzt ein weißes Polohemd und Jeans, seine Haare glänzten feucht. Lukes Worte ließen ihn innehalten.
»Mami ist nicht gemein. Sie ist nur …«, ihm fehlten die Worte, »sie ist nur durcheinander.«
Er setzte sich neben uns. »Was heute passiert ist, war ziemlich unfair. Aber das Leben kann manchmal hart sein. Deshalb musst du wissen, wer auf deiner Seite steht, auf wen du zählen kannst. Du kannst auf mich zählen, und auf Tante Evan. Wir kümmern uns um dich. Und du kannst auf dich zählen, denn du musst selbst wissen, was richtig und was falsch ist.«
Luke saß ganz still.
»Das ist so ähnlich, wie wenn ich fliege. Der Flugzeugträger zählt auf mich und mein Geschwader, dass wir ihn vor dem Feind beschützen. Ich zähle auf meinen Geleitschutz, dass er mir sagt, wenn es Schwierigkeiten gibt. Und ich zähle auf mich, dass ich die richtigen Entscheidungen treffe, denn ich bin derjenige, der das Flugzeug fliegt.«
Luke dachte eine Weile darüber nach. »Ist Jesse auf meiner Seite?«
»Natürlich«, sagte ich.
»Und Nikki und Carl?« Ich nickte. »Und mein Lehrer?«
»Auf jeden Fall.«
»Das hab ich mir gedacht.« Er drehte sich wieder Brian zu. »Kann ich morgen mal deine F/A-18 anschauen?«
»Darauf kannst du wetten.« Die Erleichterung war Brians Stimme anzuhören. »Komm her, setz dich zu deinem Daddy auf den Schoß.«
Aber Luke drückte sich an mich. Brian, der einen feindlichen Flieger auf fünfzig Meilen Entfernung erkennen konnte, hatte das nicht kommen sehen. Diese stumme Abfuhr trieb ihm das Wasser in die Augen. Mir lag einiges auf der Zunge. Zum Beispiel, dass Luke noch etwas Zeit brauchen würde und dass Brian sich besser etwas zurückhalten sollte, weil der Junge noch die Vertrautheit mit mir brauchte. Oder dass diese Empfindlichkeit einem Erwachsenen nicht besonders gut zu Gesicht stand. Doch wegen Lukes Anwesenheit sagte ich gar nichts. Stattdessen hörten wir dem Wind zu, bis Luke die Augen zufielen und er gleichmäßig atmete. Brian hob ihn hoch und trug ihn ins Bett.
Als er zurückkam, fragte ich: »Woher wusstest du eigentlich von meiner Drogen-Verhaftung in der Highschool?«
»Von Dad.«
Fünfzehn Jahre später regte ich mich immer noch darüber auf. »Er hat versprochen, es dir nicht zu erzählen.«
Er zuckte mit den Schultern. »Er war so wütend -«
»Erinner mich nicht daran. Er ist hochgegangen wie eine Rakete.«
Auf dem Nachhauseweg waren wir vier Mädchen damals von der Polizei angehalten worden. Das Hasch gehörte Abbie Johnson, sie hatte einen Beutel voll in der Tasche, von dem ich nichts wusste.
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