Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gottesdienst

Titel: Gottesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gardiner
Vom Netzwerk:
Boden.«
     
    »Dad, warum hast du keine Raketen an deinem Flugzeug?« Luke wippte aufgedreht auf dem Rücksitz des Mustangs auf und ab. »Es wär so cool, die mal zu sehen.«
    Brian unternahm mit uns eine nostalgische Rundfahrt über den Stützpunkt, durch das kleine Wohngebiet, vorbei am Schwimmbad, den Baseballfeldern, einer Kirche und einem McDonald’s. Ich sagte gar nichts. Marc Duprees Worte spukten mir noch im Kopf herum.
    »Wie hört sich das an, wenn du sie abschießt? Eher wie schschukk oder eher wie krischsch?«
    Die Hälfte der Häuser auf der Basis waren inzwischen abgerissen worden. Ganze Wohngegenden, die sicheren Straßen meiner Pubertät, wo wir in billigen, ordentlichen Häusern unserem geregelten Tagwerk nachgingen, waren verschwunden. Militärische Gesundschrumpfung. »Ronald Reagan sitzt nicht mehr im Weißen Haus, das sieht man gleich.«
    »Tja, der Kalte Krieg ist aus.«
    Als unsere Familie hier stationiert war, herrschte noch geschäftiges Treiben. Die Bedrohung durch die Sowjetunion verlieh den Menschen ein Lebensziel. Hier ballten sich die Doktorentitel wie sonst nirgendwo im ganzen Land: Wissenschaftler und Ingenieure wie mein Vater, die es als ihre persönliche Mission betrachteten, Technologien zu entwickeln, die amerikanischen Piloten das Leben retten konnten. Natürlich hatte ich das Ganze nur aus der Highschool-Perspektive mitbekommen: Sport, Alkohol, Sex, schnelle Autos und Jugendliche, die sich, sobald sie ihren Abschluss in der Tasche hatten, in ein erträglicheres Klima und dichter bewohnte Gebiete absetzten. Deshalb gibt es in Santa Barbara auch so einen hohen Anteil von Absolventen aus China Lake. Aber bloß weil sich Teenager hier langweilten, war China Lake noch keine Todeszone. Die Stadt hatte nicht das Geringste mit der düsteren Vision einer todbringenden geheimen Brutstätte des Antichrist zu tun, die Isaiah Paxton heraufbeschworen hatte.
    Brian deutet auf eine Baulücke. Weißt du noch?
    »Bitte zeig mir, wie eine Rakete aussieht. Bitte!«, quengelte Luke.
    Brian betrachtete ihn halb amüsiert, halb entnervt im Rückspiegel. »Na gut.« Er riss den Mustang herum und ließ den Stützpunkt hinter sich.
    Wir fanden, was Luke wollte, im Museum von China Lake, einem kleinen Schlackensteingebäude, das den großen Themen gewidmet war: Leben und Tod, Jäger und Gejagte. Ein Schaubild aus der Tierwelt zeigte ausgestopfte Klapperschlangen und Coyoten, die sich auf kleine Beutetiere stürzten. Die Opfer waren in dem Moment kurz vor ihrem Tod festgehalten. Ein sehr beklemmendes Bild von Fressen und Gefressenwerden. Aber Luke hatte keinen Blick dafür. Er hetzte gleich hinüber zur Sidewinder-Rakete.
    Es war ein schlankes Geschoss, ein etwa drei Meter langer metallener Pfeil, festgehalten im Sinkflug. Luke betrachtete die Sidewinder mit großen Augen, berührte ihr Leitwerk und stellte sich dann mit ausgebreiteten Armen davor, als ob er sich von ihr aufspießen lassen wollte. Er fragte Brian, wie viele er davon an seinen Jet hängen konnte und wie weit sie fliegen konnten. Brian deutete auf ein Foto einer F/A-18, die gerade eine Sidewinder abschoss, und erklärte, wie die Rakete unter den Flügeln befestigt wurde und wie er sie auslösen konnte.
    »Sie trägt den Code Fox two, das bedeutet, dass sie eine wärmesuchende Lenkwaffe ist«, erläuterte Brian. »Fox one steht für ein Sparrow-Flugabwehrgeschoss.«
    Ich hörte eine Frauenstimme vom anderen Ende des Raums: »Oh mein Gott, Evan Delaney.«
    Überrascht fuhr ich herum. Die Frau war gut 1,80 groß, hatte struppiges blondes Haar, trug eine runde Nickelbrille und ein Namensschild des Museums.
    »Abbie Johnson.«
    »Genau die. Aber ich heiße jetzt Hankins.« Sie hatte eine helle Stimme und ein breites Lächeln. »Mein Gott, als ich dich das letzte Mal sah, war ich gerade am Kotzen, nachdem ich die Vierhundert gerannt war.«
    Tatsächlich hatte sie mich das letzte Mal vor Gericht gesehen, als wir für den Drogenbesitz verurteilt worden waren. Aber ich wusste, was sie meinte. Im Leichtathletikteam hatte ich immer von ihr den Stab in der 4-x-400-Meter-Staffel übernommen. Sie war teuflisch schnell, aber nach jedem Rennen musste sie sich übergeben. Wir nannten sie den Kotzkometen.
    »Heutzutage renne ich nicht mehr so viel.« Sie hob ihren bauschigen Rock ein wenig an, um mir eine lange Operationsnarbe zu zeigen. »Motorradunfall noch zu College-Zeiten. Und ich weiß, dass du es mir nicht glauben wirst, aber ich hab den ganzen Partys

Weitere Kostenlose Bücher