Gottesfluch: Thriller (German Edition)
Speicher hinunter.
»Ich verzichte gerne darauf, da runterzugehen. Die Treppen sind ziemlich schmal, beide, und bis zum Boden ist es ganz schön tief«, fügte er hinzu.
»Deshalb hat man ja dieses Eisengeländer montiert.« Angela trat zurück.
Das Getreidesilo war inmitten der Ruinen das besterhaltene Bauwerk, das sie bis jetzt gesehen hatten. Es war von Resten antiker Gebäude umgeben, von denen nur noch winzige, nicht einmal einen halben Meter hohe Mauern übrig geblieben waren. Palmen – Dattelpalmen, vermutete Bronson – wuchsen aus dem Boden einstiger Räume oder Gänge. Und überall kündeten die hellgrauen, fast weißen Trümmer des Mauerwerks unverkennbar von hohem Alter. Sie sprachen von mehr Jahren, als man sich vorstellen konnte. Bronson registrierte, dass Angela trotz der Hitze fröstelte, legte ihr beiläufig den Arm um die Schultern und zog sie weiter.
»Hier drüben waren die Gebäude, die man früher für Salomons Stallungen gehalten hat«, erklärte Angela. »Aber die Datierung wurde korrigiert; jetzt glaubt man eher, dass sie zur Zeit von Ahab errichtet wurden, wahrscheinlich auf derselben Stelle, an der einmal der Palast Salomons stand. Ahab war im neunten Jahrhundert vor Christus König von Israel. Schätzungen zufolge konnten diese Stallungen fast fünfhundert Pferde aufnehmen, und es war auch noch Platz für die Streitwagen. Zu der Zeit war Megiddo als ›Wagenstadt‹ berühmt, und in jedem Scharmützel oder in jeder Schlacht auf den Ebenen unter der Festung waren diese Streitwagen die ausschlaggebende Waffe für Sieg oder Niederlage. Diese Streitwagen waren sozusagen die bewaffneten Stoßtrupps der Antike.«
Angela sah sich um. »Okay, folgen wir diesem Weg nach Südwesten. Dann sollten wir eigentlich zum Anfang des Tunnels kommen, der zu dem Brunnen führt.«
»Aus welcher Zeit stammt der Tunnel?«, wollte Bronson wissen, als sie losgingen.
»Ursprünglich hat man geglaubt, er datiere aus dem dreizehnten Jahrhundert vor Christus, aber neuere Forschungen haben ergeben, dass er wohl eher im neunten Jahrhundert vor Christus erbaut wurde. Das bedeutet, er ist fast dreitausend Jahre alt.« Sie hob den Kopf und lächelte Bronson an.
»Die Frischwasservorräte befanden sich also außerhalb der Stadtmauern?«
»Allerdings. Die Bewohner bezogen ihr Frischwasser aus einer Quelle in einer Höhle da drüben«, erwiderte Angela und deutete auf eine Stelle vor ihnen. »Als Salomon hier herrschte, befahl er seinen Leuten, einen Schacht durch den Fels der Höhle zu schlagen, damit man leichteren Zugang zum Wasser hatte. Das half natürlich nicht weiter, wenn Megiddo belagert wurde. Ahab dagegen war weit ehrgeiziger. Er ließ einen breiten Schacht anlegen, was bedeutete, seine Leute mussten sich zunächst von der Spitze des Berges durch alle Erdschichten hindurchgraben und anschließend auch noch durch den Fels selbst. Der Schacht verlief etwa siebzig Meter tief senkrecht nach unten, dann fing die eigentliche Arbeit überhaupt erst an. Seine Leute schlugen einen horizontalen Tunnel durch den Fels bis zur Höhle – eine Strecke von mehr als hundertdreißig Metern. Doch dadurch hatten sie geschützten und unangreifbaren Zugang zu der Quelle. Und als i-Tüpfelchen ließ Ahab den ursprünglichen Eingang zur Höhle von einer massiven Steinmauer blockieren, die er dann auch noch mit Erde verkleidete, sodass der Feind nicht einmal ahnte, dass es dort überhaupt eine Höhle gab.«
Während Angela redete, hatten sie den Rand des Schachtes erreicht, ein riesiges Loch in der Erde mit leicht abfallenden Seiten. Es war so groß, dass das Getreidesilo dagegen vollkommen bedeutungslos wirkte. Und im Gegensatz zum Speicher schien dieser Schacht auch nie komplett mit Steinen ausgekleidet worden zu sein, schlicht deshalb nicht, weil es nicht nötig war. Dafür sah man die Reste von etlichen Stützmauern und Terrassen, die bis hinab zum Boden reichten. Die verfallenen Überreste einer alten Steintreppe führten an der Seite der Grube nach unten, wo die Wand am wenigsten steil war. Allerdings hatte Bronson den Eindruck, dass der Aufstieg für die Verteidiger der Stadt dennoch recht anstrengend gewesen sein dürfte, vor allem, wenn sie dabei Wassereimer schleppen mussten.
Auf der niedrigen Steinmauer, die um den größten Teil des Lochs herumführte, hatte man einen eisernen Zaun montiert. An einer Stelle gab es einen Durchgang, der zu einer neuen Zementtreppe führte, die mit Geländern gesichert war und
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