Gottesfluch: Thriller (German Edition)
waren; möglicherweise auch eine Töpferei oder sogar eine Festung oder eine befestigte Handelsstation.
Und weiterhin versuchte de Vaux zu verhindern, dass irgendjemand außerhalb seiner auserwählten Gruppe von Forschern Zugang zu den Schriftrollen selbst oder auch nur eine Fotografie von ihnen zu sehen bekam. Jedenfalls galt das für die Schriftrollen, die in Höhle vier gefunden wurden und die etwa vierzig Prozent des gesamten Fundes ausmachten.«
»Aber es wurden doch Einzelheiten von diesen Schriftrollen veröffentlicht?«
»Ja, aber nur von den weniger wichtigen Rollen. Die Texte aus Höhle eins wurden zwischen 1950 und 1956 freigegeben. 1963 wurden die Schriften von acht anderen Höhlen in einem einzigen Buch zusammengefasst und zwei Jahre später Einzelheiten von der sogenannten Psalmen-Rolle, die in Höhle elf gefunden wurde. Natürlich wurden sofort von Gelehrten auf der ganzen Welt Übersetzungen von diesen Schriftrollen angefertigt.
Aber das Material aus Höhle vier wurde erst 1968 veröffentlicht, und selbst da nur zu einem ganz kleinen Teil. Zu diesem Zeitpunkt schien Vater de Vaux entschieden zu haben, dass er als letztes Vermächtnis allen anderen Gelehrten den Zugang zu den Schriftrollen verweigerte. Er erließ eine strikte Geheimhaltungsanweisung, die nur Mitgliedern des Originalteams oder speziell von ihnen ernannten Vertretern erlaubte, an diesen Schriftrollen zu arbeiten. De Vaux starb 1971, aber auch nach seinem Tod blieb alles beim Alten: Die Gelehrten hatten keinen Zugang zu dem Material aus Höhle vier oder auch nur zu Fotos von den Schriftrollen. Das änderte sich erst 1991, fast ein halbes Jahrhundert nach ihrer Entdeckung, als eine komplette Fotosammlung des Materials aus Höhle vier gefunden wurde, und zwar eher zufällig, in einer Bücherei in San Marino, Kalifornien. Sie wurde sofort veröffentlicht.«
»Aber wenn die Essener oder wer auch immer in Qumran lebte, diese Schriftrollen nicht verfasst haben, wer dann?«, erkundigte sich Bronson.
»Das weiß niemand. Die wahrscheinlichste Erklärung lautet, dass sie von irgendeiner streng religiösen Sekte in Jerusalem verfasst und von einer Gruppe von Juden in den Höhlen von Qumran versteckt wurden, die vor römischen Truppen während einer der regelmäßigen Perioden politischer Unruhen flüchteten.«
»Und was genau steht darin?«, wollte Bronson wissen.
»Die meisten von ihnen sind schriftliche Kopien bekannter literarischer Texte, hauptsächlich Bibelstellen des Alten Testamentes. Aber es sind offensichtlich weit früher datierte Beispiele, als bis dahin verfügbar waren. Es gibt etwa mehr als dreißig Kopien des Deuteronomiums, des fünften Buchs Mose. Außerdem gab es eine Menge weiblicher Texte, die bis dahin unbekannt waren und ein neues Licht auf die Form des Judaismus dieser Epoche warfen, die gemeinhin als Zeit des Zweiten Tempels bezeichnet wird. Das war die Epoche, als der Tempel in Jerusalem wieder aufgebaut wurde, nachdem das Original, Salomons Tempel, im Jahre 586 vor Christus zerstört wurde. Diese Zweite-Tempel-Periode dauerte von 516 vor Christus bis 70 nach Christus, als die Römer Jerusalem erneut eroberten, den Tempel zerstörten und die große jüdische Revolte erstickten, die vier Jahre zuvor begonnen hatte.
Und diese Kupferrolle«, schloss Angela, »passt absolut überhaupt nicht zu allem anderen, was in Qumran gefunden wurde. 1952 hat eine Expedition, die vom jordanischen Amt für Antiquitäten finanziert wurde, in Höhle drei gearbeitet und einen einzigartigen Gegenstand gefunden, der unter der Bezeichnung 3Q15 abgelegt wurde – was einfach bedeutet, dass es das fünfzehnte Artefakt war, welches in Höhe drei in Qumran gefunden wurde. Es war ein dünnes Blatt fast reinen Kupfers, etwa zwei Meter lang, das offenbar in zwei Teile zerbrochen war, als es von dem, der es hergestellt hatte, zusammengerollt wurde. Nach zweitausend Jahren in dieser Höhle war das Material natürlich stark oxidiert, unglaublich spröde und zerbrechlich und konnte ganz eindeutig nicht entrollt werden. Es war ganz anders als alles, was man je bis dahin gesehen hatte, ganz gleich ob in Qumran oder irgendwo anders. Und zwar sowohl wegen seiner Größe – es war das größte Stück antiken Textes, das jemals auf Metall festgehalten wurde – als auch wegen seines Inhaltes.
Das Problem der Archäologen bestand darin, wie sie diese Schriftrolle öffnen sollten. Sie verbrachten nahezu fünf Jahre damit, die Rolle zu untersuchen,
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