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Gottesopfer (epub)

Titel: Gottesopfer (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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meinem Schreibtisch und habe vergessen, ihn Ihnen zu geben.«
    Sam hatte noch in Erinnerung, dass auf einem Foto gusseiserne Kerzenleuchter mit weißen Kerzen zu sehen gewesen waren. Meinte sie etwa die? Aber was machten Kerzen im abgeschnittenen Haar der Toten?
    Â»Kerzen?«
    Â»Material von Kerzen.«
    Â»Sie meinen Wachs.«
    Â»Ja, Wachs.«
    Als Sam aufgelegt hatte, überlegte er, dass wahrscheinlich das Wachs der Kerzen auf den Boden und auf die Haare getropft war. Aber woher kamen das Salz und die Kräuter? Er ging langsam durch den kleinen Park zu seinem Wagen. In den kleinen Straßen standen die Autos dicht an dicht, jeden Zentimeter freie Fläche nutzend. Sam musste ein paar Hundert Meter gehen, um zu seinem Wagen zu kommen, den er kunstvoll zwischen zwei Pfeilern eingeparkt hatte. Ein kalter Wind kam auf, doch auch der konnte die dicken Wolken in seinem Kopf nicht vertreiben. Was hatten Salz und Kräuter zwischen den Haaren verloren? Hatte der Mann vielleicht die herausgebrannten Fleischstücke gewürzt und gegessen? Sam erinnerte sich an den Kannibalen von Rotenburg. Er hatte ausgesagt, dass er sein Opfer verspeist hatte, damit es ein Teil von ihm wurde. War das hier auch der Fall? Wollte der Mörder Teile seines Opfers in sich aufnehmen, eine Verbindung schaffen? Plötzlich spürte er, dass die beiden Fälle miteinander zusammenhingen. Er wusste zwar noch nicht, warum, aber er war sich sicher, dass er die Antwort bald erhalten würde.
    Wieder begann sein Handy zu vibrieren.
    Diesmal kam der Anruf von Peter Brenner aus Den Haag. Sam lauschte dem Wortschwall, der wie eine kalte Dusche auf ihn niederging und ihn in der Bewegung erstarren ließ. Aus seinem stets leicht gebräunten Gesicht wich jegliche Farbe.

9
    Lina Lopez fütterte den Computer mit den letzten Kundendaten und schaltete ihn dann aus. Sie hinterließ den Schreibtisch in einem ordentlichen Zustand, damit keine ihrer Kolleginnen etwas zu meckern hatte. In einer Praxis, in der außer dem Arzt ausschließlich Frauen arbeiteten, wurde gerne und ausgiebig über jeden und alles gelästert. Jede wollte besser, schöner, sexierals die anderen sein. Die letzte Sprechstundenhilfe, die der Herr Doktor eingestellt hatte, hatte es jedoch allen gezeigt. Sie teilte inzwischen das Bett mit ihm und kommandierte alle in der Praxis herum. Lina hatte die Intrigen irgendwann so satt gehabt, dass sie sich einen neuen Job gesucht hatte. Leider nur für zwei Tage, sodass sie die andere Hälfte der Woche weiterhin hier arbeiten musste, um genug für ihre Miete und die Lebenshaltungskosten zu verdienen.
    Sie zog sich ihren Mantel über die weiße Praxiskleidung und machte überall das Licht aus. Ein Schatten huschte vom Gang zum Sprechstundenzimmer. Am Anfang hatte sie immer nachgesehen, weil sie dachte, dass noch jemand in der Praxis war. Inzwischen wusste sie, dass da niemand war, und ließ den Schatten Schatten sein. Sie schloss die Praxistür hinter sich zu, pulte noch einen Kaugummi vom Praxisschild, den unverschämterweise jemand dort hingeklebt hatte, und ging durch das dunkle Treppenhaus zum Ausgang.
    Morgen war ihr erster Tag in der neuen Praxis bei einem Hypnosetherapeuten. Das war sicherlich viel interessanter, als Herrn Doktor Herrmann dabei zuzusehen, wie er Spritzen in Gelenke jagte.
    Sie ging durch die noble Hamburger Innenstadt, vorbei an Geschäften von Prada und Gucci, passierte eine Bäckerei, einen Knopfladen und einen Taschenladen, bis sie die U-Bahn-Station erreichte. Sie sah auf die Uhr: Ihre Bahn kam in einer Minute. Lina legte einen Sprint ein. Sie hatte keine Lust, auf die nächste Bahn warten zu müssen.
    Als sie noch auf der Treppe war, hörte sie schon die Durchsage: »Zurückbleiben bitte!« Atemlos erreichte sie den letzten Waggon, sprang hinein und prallte gegen einen jungen Mann, der sie auffing, bevor die Türen direkt hinter ihr zuknallten und sich die U-Bahn in Bewegung setzte. Sie entschuldigte sich leise mit einem Lachen und setzte sich auf einen freien Platz am Wagenende, von wo aus sie alles überblicken konnte: die gelangweilten Gesichter der Pendler, die tagaus, tagein dieselbe Streckezur selben Zeit fuhren. Manchmal war es, als ob man ein Déjà-vu hätte.
    Der junge Mann, der sie aufgefangen hatte, versuchte, Blickkontakt mit ihr aufzunehmen, aber er war so gar nicht ihr Typ, sodass sie in die andere Richtung sah. Lina hatte

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