Gottesopfer (epub)
Totenbeschwörer und Wahrsager wendet und sich mit ihnen abgibt, richte ich mein Angesicht und merze ihn aus seinem Volk aus. Männer oder Frauen, in denen ein Toten- oder ein Wahrsagegeist ist, sollen mit dem Tod bestraft werden. Man soll sie steinigen, ihr Blut soll auf sie kommen.â¹ Das steht schon in der Bibel, im Buch Levitikus, um genau zu sein. Das heiÃt, in den Augen der Kirche hatten alle, die sich mitWahrsagerei, Nekromantie oder Astrologie beschäftigten, einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, dienten nicht Gott und damit nicht der Kirche. Das war ein Todesurteil.«
Sam und Juri sahen sich fassungslos an, was den Professor anspornte weiterzureden.
»Hexen und Zauberer und alle, die man dafür hielt, wurden in ganz Europa verfolgt. Tausende starben, meist Frauen. Verantwortlich dafür war vor allem der Dominikaner Heinrich Kramer. Er hatte den Hexenhammer geschrieben, eine Art Leitfaden für Hexenprozesse und Folter. Kramer war selbst Inquisitor und prahlte damit, zweihundert Hexen hingerichtet zu haben.«
»Das ist doch krank«, sagte Juri kopfschüttelnd.
»Ja, heute kann man kaum noch nachvollziehen, wie Menschen anderen im Namen Gottes so etwas antun konnten, aber damals war das eben anders.«
Damals waren viele Dinge anders, dachte Sam, aber wir leben heute, im 21. Jahrhundert. Es war unmöglich, dass jemand die Hexenprozesse aufleben lieà und den Richter über Leben und Tod spielte. Und doch schien es genau so zu sein.
»War es üblich, den Hexen die Haare abzuschneiden?«, fragte Sam und dachte an die Tatorte in Salzburg und Rom.
»Hm â¦Â«, der Professor schüttelte langsam den Kopf, »â¦Â das kann ich Ihnen auf Anhieb nicht beantworten. Das muss ich nachlesen. Aber rufen Sie mich morgen früh an, dann habe ich vielleicht die Antwort.«
Sam machte sich eine Notiz und stellte schon seine nächste Frage: »Was sagen Ihnen Salz, Wachs und Kräuter? Haben sie irgendeine Rolle gespielt bei der Folter oder der Hinrichtung?«
Professor Patzold überlegte eine Weile und sagte dann: »Dazu kann ich Ihnen leider auch nichts sagen.«
Sam hatte die Ellbogen auf den Tisch gestützt und lieà nun seinen Kopf resigniert auf seine Hände sinken.
»Ihr Mann scheint ein wahrer Spezialist für Foltermethoden zu sein«, meinte der Professor trocken.
Ohne den Kopf von seinen Händen zu heben, fragte Sam:»Haben Sie eine Idee, wo wir diesen Spezialisten finden könnten?«
»Ich fürchte, das ist Ihre Aufgabe. So, ich muss jetzt leider los. Mein Hauptseminar fängt gleich an.«
Professor Patzold verabschiedete sich mit einem festen Händedruck. Als Sam und Juri die Tür zu seinem Büro hinter sich schlossen, waren sie froh, den stickigen Raum endlich verlassen zu haben.
Im Auto wirkte Sam ziemlich niedergeschlagen. Juri versuchte, ihn aufzumuntern: »Hey, wie wärâs, wenn wir heute Abend was zusammen unternehmen? Auf die Piste gehen und ein bisschen Spaà haben?«
Sam, der aus dem Fenster gesehen hatte und in Gedanken bei seiner Schwester war, schüttelte den Kopf. »Darauf habe ich, ehrlich gesagt, gerade nicht so groÃe Lust. Ein andermal gerne.«
Sie fuhren durch den Stadtpark. Im Sommer ist es hier sicherlich schön, dachte Sam. Hier und da waren Frauen mit Kinderwagen zu sehen und ein paar Jogger, die meisten dick eingepackt und mit Wollmützen auf dem Kopf.
»Sag mal, du bist nicht verheiratet, und eine Freundin hast du auch nicht, oder? Drücktâs dich nicht manchmal? Ich meine â¦Â«, fragte Juri etwas unbeholfen.
»Na klar, aber wenn du nicht gerade in den Puff gehen willst, gehört dazu immer noch etwas mehr. Reden, ein paar Mal essen oder ins Kino gehen. Das ist zeitaufwendig und mir im Augenblick einfach zu anstrengend«, antwortete Sam und sah wieder aus dem Fenster.
Würde er überhaupt jemals Zeit für eine Beziehung haben? Konnte oder wollte er sich tatsächlich auf einen anderen Menschen einlassen, vielleicht sogar sein ganzes Leben mit ihm verbringen? Er glaubte nicht. Aber er wusste auch, dass das Schicksal oft verschlungene Wege ging und so einige Ãberraschungen bereithielt. Was heute noch zählte, war morgen schon wieder unwichtig.
31
Sam hatte sich letztendlich doch davon überzeugen lassen, dass es spannender war, abends mit Juri um die Häuser zu ziehen, als allein in seinem Hotelzimmer vor sich
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