Gottesopfer (epub)
Samstag sogar vor seinem Chef da war, dachte Sam. Er setzte sich mit seinem Kaffee ihm gegenüber und überlegte, ob er fragen sollte, wie Juris Nacht gewesen war. Aber das war gar nicht nötig, denn Juri fing ohne groÃe Umschweife an zu erzählen:
»Mensch, das war eine Nacht! Hätte nicht gedacht, dass die Maus so ein Knaller im Bett ist. Bin kaum zum Schlafen gekommen. Hammer, sag ich dir.«
Sie war also tatsächlich mit ihm nach Hause gegangen, schoss es Sam durch den Kopf. Er hatte sich geirrt. Sie war doch so einfach zu haben. Er wusste nicht, was er sagen sollte.
»Hey, stimmt was nicht? Sag bloÃ, du wolltest die Kleine vögeln?«, fragte Juri betroffen.
»Ach, Quatsch. Ich dachte nur, dass ich noch den Professor anrufen muss«, sagte Sam offenbar nicht sehr überzeugend, denn Juri sah ihn skeptisch an, bevor er sich wieder seiner Liste widmete.
Sam suchte die Privatnummer des Professors heraus und wählte. Professor Patzold war nach dem zweiten Klingeln am Telefon. Sam schaltete den Lautsprecher an, damit Juri mithören konnte. Erst war nur lautes Papierrascheln zu vernehmen, dann die Stimme des Professors: »Ja, hier ist es. Hören Sie: Die Verurteilten wurden entkleidet, anschlieÃend entfernte man sämtliche Haare, um sicherzugehen, dass sie kein Teufelsmal hatten oder irgendwelche Amulette trugen, die sie vor dem Tod hätten retten können.« Wieder raschelte es, offenbar blätterte der Professor in einem Buch. »So, dann zu Ihrem Salz. Es ist ein heiliger Brauch, wie das Besprengen mit Weihwasser â¦Â«
Weihwasser! Sam fiel die halb volle Wasserflasche am Tatort in Amsterdam ein, an der nur die Speichelreste des Opfers gefunden worden waren. Er hatte sie Weihwasser trinken lassen.
Währenddessen fuhr Professor Patzold fort: »Geheiligtes Salz, geweihte Kerzen und Zweige wurden dazu benutzt, um die Macht der Dämonen zu schwächen, den Teufel zu vertreiben. Das ist Teil eines Exorzismus.«
Das klang logisch, und Sam und Juri nickten sich zu.
»Und dann habe ich da noch eine Idee. Sie haben mich doch gefragt, wo man Ihren Spezialisten finden könnte. Das ganze Jahr über gibt es historische Feste in Deutschland, meistens allerdings im Sommer. Wir nennen sie Zeitreisen. Nächstes Wochenende findet in Burghausen in Oberbayern ein mittelalterliches Fest statt, direkt in der Burg. Ich bin Mitglied des Organisationskomitees. Wissen Sie, uns geht es darum, Leute aus ganz Deutschland oder anderen europäischen Ländern mit gleichen Interessen zu vereinen. Wir tun immer unser Bestes, die Feste so originalgetreu wie möglich zu veranstalten. Ich kann mir vorstellen, dass Ihr Mann das eine oder andere an diesen Festen gefallen könnte.«
»Wie was zum Beispiel, Professor?«
»Ich denke da weniger an die Minnesänger. Eher an Folterwerkzeuge, Folterkammern â¦Â Es war nur so eine Idee.«
»Danke für den Tipp, Professor.«
Sam legte auf, strich sich über sein Kinn und bemerkte dabei, dass er ziemlich schlecht rasiert war. Wieder gingen seine Gedanken zum gestrigen Abend zurück. Am liebsten hätte er jede Einzelheit aus Juri herausgepresst, aber er wollte sich nicht lächerlich machen. Entschlossen sagte er stattdessen: »Okay, du hast es ja gehört. Nächste Woche nehmen wir an einem Burgfest teil. Du besorgst uns zwei Kostüme.«
»Wo soll ich die denn herzaubern?«
»Aus dem Theaterfundus oder einem Kostümverleih.«
Juri nickte.
»Was macht die Liste mit den Bränden?«, fragte Sam streng. Er würde von nun an andere Saiten aufziehen und deutlich machen, wer hier der Chef war.
»Bisher nichts, was interessant wäre.«
»Wo sind eigentlich die Personaldaten von Pater Dominik?Die wolltest du doch schon längst anfordern. Nur weil wir abends mal was zusammen unternehmen, heiÃt das noch lange nicht, dass du mir hier auf der Nase herumtanzen kannst!«
Juri sah erschrocken auf. »Kümmere mich gleich drum.« Mit diesen Worten verschwand er aus dem Büro.
1995
Nachdem sich die Aufregung im Flügel der Schwestern gelegt hatte, lag Lukas noch lange wach. Plötzlich hörte er aus dem Zimmer von Pater Paul seltsame Geräusche. Er stand auf und klopfte leise an die Tür des Priesters, erhielt aber keine Antwort. Zurück in seinem Bett, legte er sein Ohr an die Wand und lauschte, aber nun war alles still.
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