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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Namen dieser Herren echt oder ob das ihre
     Spitznamen sind. Obwohl ich eigentlich danach fragen müsste, denn an ihren Spitznamen kann man Banditen recht gut erkennen.
     Ich frage nach etwas anderem: Ich weiß von dem hier anwesenden Herrn Reinmar von Bielau, dass Bruder Neplach ihm eine sichere
     und vertrauenswürdige Eskorte versprochen hat. Eine Eskorte! Und was für eine Bande steht dort in einer Reihe? Was für Krethi
     und Plethi? Speck, Schreck, Geschmeiß und Scheiße?«
    Hašek Sykoras Kinnlade rutschte gefährlich weit nach vorn.
    »Bruder Neplach hat befohlen, Leute bereitzustellen«, knurrte er. »Und was sind das? Vögel unter dem Himmel? Fischchen im
     Wasser? Fröschlein im Morast? Eben nicht. Das sind Leute. Die Leute, die ich gerade zur Verfügung habe. Andere habe ich nicht.
     Ach, die gefallen euch wohl nicht? Viel-
    |249| leicht wollt ihr lieber vollbusige Weiber? Oder St. Georg hoch zu Ross? Vielleicht Lohengrin mit dem Schwan? Tut mir leid,
     hab ich nicht. Die sind mir gerade ausgegangen.«
    »Aber   ...«
    »Nehmt ihr sie? Oder nicht? Entscheidet euch!«
     
    Am nächsten Tag, welch ein Wunder, hörte es auf zu regnen. Die Pferde stapften etwas energischer und schneller durch den Schlamm.
     Amadeus Bata begann zu pfeifen. Selbst Krethi und Plethi, die von Moritz Rvačka angeführten zehn, von Scharley mit diesem
     biblischen Namen bedacht, wurden etwas lebhafter. Waren sie bisher düster und mit finsterem Gesicht einhergezogen und hatten
     den Eindruck erweckt, sie seien mit der ganzen Welt verfeindet, so begannen diese abgerissen daherkommenden Lumpen jetzt zu
     schwatzen, mit Zoten um sich zu werfen und zu lachen. Schließlich fingen sie zur allgemeinen Verwunderung sogar an zu singen.
    Na volavský stráni
    skřivánci zpívají,
    že za mou milenkou
    všiváci chodĕjí.
    Dostal bych já milou
    i s její peřinou
    radši si ustelu
    pod lipou zelenou.
    Einen Sohn, dachte Reynevan. Ich habe einen Sohn. Er trägt den Namen Veit. Er ist vor einem Jahr und vier Monaten, am St.-
     Veits-Tag, geboren. Genau einen Tag vor der Schlacht bei Aussig. Meiner ersten großen Schlacht. Einer Schlacht, in der ich
     hätte fallen können, wenn die Dinge anders verlaufen wären. Wenn die Sachsen damals die Wagenburg gesprengt und uns zerstreut
     hätten, das wäre ein Gemetzel gewesen, in dem ich getötet hätte werden können. Dann hätte mein Sohn seinen |250| Vater schon am Tag nach seiner Geburt verloren   ... Und Nicoletta   ... die zarte Nicoletta, Nicoletta, schlank wie die Eva von Masaccio, wie eine Madonna von Parler, war mit einem dicken Bauch
     umhergegangen. Durch meine Schuld. Wie kann ich ihr je wieder in die Augen sehen? Werde ich überhaupt wieder in ihre Augen
     blicken können?
    Ach was. Es muss einfach gelingen.
     
    Am Donnerstag nach dem Festtag der heiligen Ursula gelangten sie nach Krchleby und zogen weiter in Richtung Rožd’alovice,
     das am Fluss Mrlina, einem rechten Nebenfluss der Elbe, lag. Sie mieden, dem Rat Filous und Sykoras folgend, die Verkehrswege,
     besonders den großen Handelsweg, der von Prag über Jitschin, Turnau und Zittau nach Leipzig führte. Von Jitschin, von wo aus
     sie Streifzüge in die Nähe von Troský führen sollten, trennten sie nur noch etwa drei Meilen.
    Die Landschaft am Oberlauf der Mrlina zeigte ihnen aber sofort warnend, dass sie auf gefährliches Terrain, in eine konfliktreiche
     Gegend, in einen immer noch brennenden Grenzgürtel kamen, der die verfeindeten Religionen und Nationen voneinander trennte.
     »Brennend« war hier das absolut zutreffende Wort – plötzlich wurden nämlich Brandstätten zu einem ständigen Element der Landschaft.
     Spuren von niedergebrannten Hütten, Siedlungen, Weilern und Dörfern. Sie glichen wie Zwillinge den Überresten jenes Dorfes,
     in dem Hunzleders Spielhölle stand, der Schauplatz der jüngsten, folgenschweren Ereignisse: dieselben rußgeschwärzten Reste
     von Feuerstellen, dieselben Haufen aus halb verkohlten Balkenresten und Ascheklumpen. Derselbe beißende Gestank nach Verbranntem.
    Krethi und Plethi hatten schon vor einiger Zeit das Singen eingestellt, jetzt konzentrierten sie sich darauf, ihre Armbrüste
     mit Bolzen zu versehen. Tauler und Bata, die den Reitertrupp anführten, hielten ihre Armbrüste schussbereit. Reynevan folgte
     ihrem Beispiel.
    Am fünften Tag ihrer Reise, am Samstag, waren sie in ein |251| Dorf gekommen, in dem die Asche noch rauchte und von den Brandstätten immer noch

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