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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Hitze aufstieg. Und nicht nur das, ein gutes
     Dutzend mehr oder minder stark verbrannter Leichen lag herum. Moritz Rvačka hingegen hatte in einer nahe gelegenen Lehmhütte
     zwei Überlebende gefunden, einen Alten und ein minderjähriges Mädchen.
    Das Mädchen hatte einen hellen Zopf und trug ein graues, vom Funkenflug durchlöchertes Kleid. Der Alte hatte in seinem von
     einem weißen Bart umrahmten Mund nur zwei Zähne, einen oben und einen unten.
    »Sie haben uns überfallen«, erklärte er stotternd auf die Frage, was hier vorgegangen sei.
    »Wer?«
    »Die.«
    Die Befragung, wer denn »die« gewesen seien, brachte keine Ergebnisse. Der stotternde Greis konnte jene »die« nicht anders
     beschreiben und benennen denn als »Taugenichtse«, »beese Leut«, »Höllenbrut« oder »das Herrgöttl sull se strafen«. Ein- oder
     zweimal benutzte er auch den Ausdruck »Martausen«, dem Reynevan noch nie begegnet war und von dem er nicht wusste, was er
     bedeuten sollte.
    »Das stammt aus dem Ungarischen.« Scharley runzelte die Stirn, in seiner Stimme schwang Verwunderung mit. »›Martahúz ‹ nennt
     man einen Menschendieb, Entführer und Menschenhändler. Der Alte will uns damit wohl sagen, dass diese Menschendiebe Einwohner
     des Dorfes entführt haben. Gefangen genommen.«
    »Wer könnte so etwas getan haben?«, seufzte Reynevan. »Die Papisten? Ich denke, wir kontrollieren diese Gebiete.«
    Scharley fuhr bei diesem »wir« ein wenig auf. Aber Berengar Tauler lachte.
    »Das Ziel unserer Reise, Burg Troský, ist keine zwei Meilen von hier«, erklärte er ruhig. »Und Herrn de Bergow nennen sie
     nicht umsonst ›Hussitenschlächter‹. In der Nähe liegen auch Burg Kost, Schloss Hrubý Rohozec, Burg Skála und Burg |252| Frýdštejn, alles Bastionen der Herren des katholischen Landfriedens. Stammsitze von Rittern, die König Sigismund die Treue
     halten.«
    »Du kennst sowohl die Gegend als auch die Ritter«, stellte Reynevan fest, während er zuschaute, wie gierig der Alte und das
     Mädchen mit dem Zopf das Brot verschlangen, das Scharley ihnen gereicht hatte. »Du kennst dich ziemlich gut aus. Wäre es da
     nicht an der Zeit, uns zu verraten, woher dieses Wissen stammt?«
    »Ja, vielleicht ist es wirklich Zeit«, stimmte Tauler zu. »Es verhält sich so: Meine Familie gehört seit Jahren zu de Bergows
     Leuten. Wir sind zusammen mit ihnen von Thüringen nach Böhmen gekommen, als die Familie de Bergow den Herrn von Linde im Streit
     gegen Heinrich von Kärnten, damals König von Böhmen, unterstützte. Dem älteren Ritter Otto de Bergow, dem Herrn auf Bilin,
     hat noch mein Vater gedient. Ich habe Otto dem Jüngeren auf Troský gedient. Eine Zeit lang. Ich diene ihm nicht mehr. Wegen
     einer persönlichen Angelegenheit.«
    »Einer persönlichen, sagst du?«
    »Ja, das sage ich.«
    »Dann bitten wir dich an die Spitze unseres Zuges, Bruder Berengar. An die Spitze«, sagte Scharley eisig, »an die Stelle,
     die einem Kenner von Land und Leuten gebührt.«
     
    Der folgende Tag war ein Sonntag. Weil alle mit anderen Dingen beschäftigt waren, wären sie von selbst nicht auf diesen Gedanken
     gekommen. Sogar das aus der Ferne herüberklingende Läuten von Glocken weckte keine sonntäglichen Vorstellungen und erinnerte
     sie an nichts – weder Reynevan noch Samson, weder Tauler noch Bata, erst recht nicht Scharley, der auf die Festtage der Heiligen
     ebenso pfiff wie auf das dritte Gebot. Anders Krethi und Plethi, also Moritz Rvačka
et consortes.
Als sie an einer Weggabelung ein Kreuz erblickten, ritten sie darauf zu, saßen ab, knieten in einem Kreis nieder und begannen
     zu beten. Sehr eifrig und sehr laut.
    |253| »Diese Glocke«, Scharley wies mit dem Kopf in die Richtung, ohne vom Pferd zu steigen, »das könnte wohl schon Jitschin sein.
     Tauler?«
    »Das könnte sein. Wir müssen vorsichtig sein. Es wäre nicht gut, wenn man uns erkennen würde.«
    »Besonders nicht, wenn sie dich erkennen würden«, der Demerit lachte laut auf, »und wenn ihnen dann deine persönlichen Gründe
     wieder einfallen würden. Ich bin neugierig, von welchem Kaliber diese Angelegenheiten waren.«
    »Das ist unwichtig für euch.«
    »Es ist wichtig«, widersprach Scharley. »Denn davon hängt es ab, in welcher Erinnerung Herr de Bergow dich behalten hat. Wenn
     in böser, wie ich vermute   ...«
    »Das ist nicht wichtig«, unterbrach ihn Tauler. »Für euch ist das wichtig, was ich euch versprochen habe. Ich weiß, wie man
     in

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