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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Tag nit erleben, allergnädigster Herr! Das sind Hussiten, wahrhaftige Hussiten. Einer wie der andere Hussitenaas,
     wahrhaftige Hussitenhunde!«
    »Die sehen nicht danach aus!«, meinte ein zweiter Ritter, ein junger, gut aussehender Mann mit einem Hut in Form einer Glocke
     auf den gekräuselten Locken. Fast jeder Saum seiner Kleidung war, wie die Mode es gebot, mit abgerundeten Zacken versehen.
    »Sie sehen nicht danach aus«, wiederholte er, trat näher und führte seine gezackte Manschette an die Nase. »Aber fragen wir
     sie doch mal, der Ordnung halber: He, Weib! Was bist du für eine? Verehrst du Hus als deinen Gott?«
    »Ich bin unschuldig! Guter Herr! Ich bin eine arme Witwe!« »Und du, Bauer? Nimmst du die Kommunion in beiderlei Gestalt?«
    »Ich bin unschuldig! Erbarmen!«
    »Die lügen, edler Herr!«, versicherte das Aknegesicht unter |290| Verbeugungen. »Die lügen, diese ketzerischen Schweinerüssel, die wollen bloß ihre Haut retten. Würdet Ihr an ihrer Stelle
     nicht lügen?«
    Der Schönling blickte mit Todesverachtung auf ihn herab, es sah ganz so aus, als wollte er ein solches Ansinnen mit einem
     Faustschlag strafen. Aber er begnügte sich damit auszuspucken.
    Dann wandte er sich an de Bergow. Und an den neben ihm stehenden älteren Ritter in einem pikierten Wams, mit würdevollem Antlitz
     und stolz aufgeworfenen Lippen. Den hatte Reynevan schon irgendwo gesehen, darauf hätte er schwören können. Nach kurzem Nachdenken
     kam er zu dem Schluss, dass er auch den mit dem Glockenhut schon einmal gesehen hatte.
    »Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht, werter Herr Otto.« Der Würdevolle wandte sich mit einer Geste der Ratlosigkeit
     an de Bergow. »Wir haben den Auftrag vom Patriziat des Sechsstädtebundes. Bei mir hat Bautzen seine Bestellung abgegeben.
     Der hier anwesende Hartung von Klüx vertritt die Interessen von Görlitz, Herr Luitpold von Köckeritz, der jeden Moment eintreffen
     muss, die von Löbau. Aber unsere Bestellungen beziehen sich auf Hussiten. Nicht auf dahergelaufenes, erbärmliches Lumpengesindel.«
    Otto de Bergow zuckte mit den Achseln.
    »Was soll ich Euch sagen, werter Herr Lothar von Gersdorf?«, fragte er. »Vielleicht nur eines: Das dahergelaufene Lumpengesindel
     wird, bevor es auf den Scheiterhaufen in Bautzen oder Görlitz verbrennt, auf Böhmisch um Erbarmen rufen. Ganz wie echte Hussiten.
     Nicht zu unterscheiden von ihnen.«
    Lothar von Gersdorf nickte, um zu zeigen, dass er diese Logik verstehe und achte. Reynevan war jetzt auch wieder eingefallen,
     wann und wo er ihn gesehen hatte, ihn und den gezackten Schönling Hartung von Klüx mit seinem Glockenhut. Er hatte sie vor
     zwei Jahren gesehen. In Münsterberg. An Mariä Geburt.
    |291| Gersdorf, Klüx und einige andere Ritter traten beiseite, um sich zu beraten. Die Nächsten, die bisher geschwiegen hatten,
     kamen heran, um die Gefangenen zu betrachten. Zwei von ihnen hatten kein Wappen, der von ihnen am vornehmsten gekleidete Dritte
     trug eines auf seinem Wams, sechs Felder, unterteilt in eine Säule aus silbernen und roten Streifen. Dies war das leicht erkennbare
     Wappen derer von Schaff. Götz, genannt Gottsche, Schaff, den Herrn auf Greifenstein, hatte Reynevan ebenfalls noch vom Münsterberger
     Turnier her in Erinnerung. Der hier auf Troský Anwesende musste wohl sein Bruder Janko sein, der Erbe und Herr von Burg Kynast.
    Vom Tor und vom Wachturm erschollen Lärm und Hufschlag, ein Zug Bewaffneter erreichte den Burghof. An seiner Spitze ritten
     zwei Herolde. Ein Weißgekleideter, der eine blaue Standarte mit drei silbernen Lilien hielt. Auf der gelben Standarte des
     zweiten Herolds sah man ein rotes Hirschgeweih auf goldenem Grund. Reynevan schluckte. Er kannte dieses Wappen. Bekannte waren
     eingetroffen.
     
    Die gerade Angekommenen hielten an, stiegen ab, warfen die Zügel lässig ihren keuchenden Knechten zu, traten auf den Burgherrn
     zu und verbeugten sich respektvoll, aber stolz. Außer den Knechten und Schützen verblieb nur ein junger Page mit einem riesigen,
     mit drei Pfauenfedern geschmückten Barett im Sattel. Ohne darauf zu achten, ob man ihn für einen Eulenspiegel, Spitzbuben
     oder Dummkopf hielt, ließ er sein Pferd tänzeln und Kunstfiguren vollführen. Die Hufe klapperten auf dem Pflaster.
    »Herr de Bergow! Seid uns gegrüßt!«
    »Herr von Biberstein, Herr von Köckeritz! Ein Gast im Haus heißt Gott im Haus!«
    »Ihr erlaubt?«, fragte Köckeritz. »Meine Ritter und

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