Gottesstreiter
Gefolgsleute: Herr Nikolaus Dachs, Herr Heinrich Seeband, Herr Willrich
von Liebenthal, Peter Nimptsch, Johann Waldau, Reinhold Temritz. Sind wir rechtzeitig zum Bankett gekommen?«
|292| »Zum Bankett und zu den Geschäften!«
»Ich sehe schon, ich sehe.« Ulrich von Biberstein, der Herr auf Friedland, warf einen Blick auf die vor der Mauer aufgestellten
Gefangenen. »Obwohl der Anblick überaus ärmlich ist. Es sei denn, dies sind die Reste, und der Sechsstädtebund ist uns bereits
bei der besseren Ware zuvorgekommen. Seid gegrüßt, Herr von Gersdorf, Herr von Klüx und Herr Schaff. Wie sieht’s aus? Ist
der Handel schon abgeschlossen?«
»Noch nicht.«
»Dann lasst uns dazu übergehen.« Biberstein rieb sich die Hände. »Und dann zum Bankett, zum Bankett! Beim heiligen Dionysius!
Ich habe vielleicht einen verteufelten Durst!«
»Dem lässt sich leicht abhelfen.« Otto de Bergow winkte den Knappen.
Nikolaus Dachs, der mit dem Herrn auf Friedland gekommen war und von dem Reynevan von den Berichten der hussitischen Hauptleute
wusste, dass er ein Gefolgsmann der Bibersteins war, kam zurück und musterte die an der Mauer stehenden Gefangenen. Seine
Miene war vieldeutig. Und was sie nicht ausdrückte, gab sein Kopfschütteln zu verstehen.
»Ich sehe, die Qualität wird immer schlechter«, kommentierte Biberstein, der aus der Hand eines Knappen einen großen Pokal
entgegennahm. »Ihr bietet uns immer schlechtere Ware an, Herr Otto, immer minderere Qualität! Man sieht, dies ist ein Zeichen
der Zeit, ein
signum temporis
, wie mein Kaplan zu sagen pflegt. Was soll’s, wie die Arbeit, so der Lohn, lasst uns also über den Preis sprechen. Im Jahre
des Herrn 1419 zahlte man für einen gefangenen und für den Scheiterhaufen bestimmten Hussiten in Kuttenberg einen Schock Groschen,
für einen häretischen Prediger fünf Schock ...«
»Aber damals war das Angebot größer«, unterbrach ihn de Bergow. »Im Jahre neunzehn war es nicht schwer, einen Hussiten zu
erwischen, da hatten die Katholiken gesiegt. Heute sind die Hussiten überlegen, und die Katholiken müssen Niederlagen einstecken,
da ist ein hussitischer Gefangener eine Seltenheit, |293| ja fast schon eine Rarität. Also auch teuer. Die Herren vom Landfrieden treiben selber die Preise in die Höhe und schaffen
so Präzedenzfälle. Oldřich von Rožmberk zahlte hundertfünfzig Schock Groschen Lösegeld. Nach der Schlacht von Tachau haben
die Bayern und die Sachsen sogar noch mehr für ihre Leute gezahlt. Zweihundert Schock pro Kopf.«
»Ich höre mir das an und weiß nicht, ob ich dumm geworden bin oder Ihr.« Lothar von Gersdorf trat näher und warf stolz den
Kopf in den Nacken. »Herr von Rožmberk und die Deutschen haben für Herren gezahlt, für Adelige, für Ritter. Und wen habt Ihr
uns hier auf den Markt gestellt? Jammergestalten vom Kalvarienberg! Vorwärts, bietet mir Roháč z Dubé an, gebt mir Ambros,
Královec, die Brüder Zmrzlík, Jan Černín, Kolúch oder Čapek von Sán. Für die ist’s mir ums Silber nicht leid. Aber ich denke
nicht daran, es für solche Hosenscheißer rauszuschmeißen. Was soll ich mit solchen Hosenscheißern?«
»Diese Hosenscheißer werden auf den Scheiterhaufen auf Böhmisch schreien und um Gnade winseln.« De Bergow senkte den Blick
nicht. »Darum geht es doch, oder?«
»Darum geht’s!«, antwortete Biberstein kühl. »Bei uns in den Städten zittern die Leute aus Angst vor den Böhmen und geraten
in Panik. Sie erinnern sich wohl, was im Mai gewesen ist.«
»Als wäre es gestern gewesen«, bestätigte Luitpold von Köckeritz mit finsterer Miene. »Die Einwohner von Friedland, Zittau,
Görlitz und Löwenberg haben sich die Hussiten von den Mauern herunter gut angesehen. Und obwohl sich die Städte verteidigen
konnten und den Sturm erfolgreich abgewehrt haben, schweigen die Leute erschrocken, sobald jemand das schreckliche Schicksal
von Ostritz, Bernstadt, Lauban und Goldberg auch nur mit einem Wort erwähnt. Man muss den Leuten etwas bieten, das sie aufmuntert.
Am besten, wie man mit einem hussitischen Böhmen auf dem Richtplatz verfährt. Also, Otto, nennt einen Preis. Wenn er vernünftig
ist, werde ich darüber nachdenken ... Holla! Holla! Nimm die Stute fester am Zügel, Douce!«
|294| Der kleine Page, der Junge mit dem Barett mit den Pfauenfedern, der sich mit seinem Pferd so hervorgetan hatte, sprengte so
schnell an die Gruppe heran, dass er die Herren
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