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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Tür in die Folterkammer, voll mit Instrumenten und Utensilien,
     die einem das Blut in den Adern gefrieren ließen. In einer Ecke, kaum sichtbar, befand sich eine kleine Tür, die in einen
     engen Korridor führte. Sie gingen an zahlreichen weiteren Türen vorüber, Rupilius hielt erst bei der fünften oder sechsten
     an.
    »El Ab!
Elevamini ianuae
!
«
    Die Tür gehorchte der Handbewegung und dem biblischen Spruch, öffnete sich, sie traten ein. Der Raum war voll von Truhen und
     Kästen. Rupilius stellte die Laterne auf einen der Kästen und setzte sich auf einen anderen.
    »Lasst uns ein wenig ausruhen und reden«, befahl er.
    Die Truhe, neben der Reynevan saß, war voller Bücher. Er wischte den Staub ab. Der ›Kit āb al-kullīy āt‹ von Averroes, die
     ›Ars magna‹ des Raimundus Lullus, ›De gradibus humilitatis et superbiae‹ von Bernhard de Clairvaux.
    »Das ist mein Hab und Gut«, Rupilius wies mit großer Geste auf die Truhen. »Bücher und andere Dinge, die ich für die Arbeit
     brauche. Einige davon sind sehr wertvoll. Die meisten nicht. Die sind unschätzbar. Wenn ihr versteht, was ich meine.«
    »Du, Reynevan, bist ein Toledo. Wer du bist, Samson, weiß ich noch nicht ganz, aber du kannst dir wohl das Wichtigste |314| denken, was uns Zeit und Mühe erspart. Daher keine Einzelheiten, sie gehen euch außerdem, ohne euch beleidigen zu wollen,
     einen feuchten Kehricht an: Otto de Bergow, der zehn Jahre lang mein Gönner und ein guter Herr war, hörte plötzlich auf, gut
     zu sein, und begann Forderungen zu stellen, die ich nicht erfüllen konnte. Oder nicht wollte. Bei meinem Herrn in Ungnade
     gefallen, sollte ich also in der
oubliette
den Hungertod sterben. Es ist mir gelungen, meinem guten, alten Körper im Loch ein Ende zu setzen. Und dem Geist einer anderen
     Person ebenfalls, der Person, deren Körper ich jetzt benutze. Die Übertragung hat in einer gewissen Eile stattgefunden, und
     in eben dieser Eile habe ich auch das Objekt ausgesucht. Mit dem Resultat, dass ich auf Troský nicht mehr als ein Diener bin.
     Als ein solcher kann ich meine Besitztümer nicht von hier wegbringen. Dinge, an denen ich sehr hänge, versteht ihr? Also schlage
     ich folgendes Abkommen vor: Ich ermögliche euch die Flucht aus der Burg. Ihr hingegen kommt im Verlauf der nächsten zwei Jahre
     hierher zurück und helft mir beim Umzug. Abgemacht? Ich warte.«
    »Eines vornweg, Meister Rupilius«, sagte Reynevan, während er über den Beschlag des Einbandes des ›Enchiridions‹ von Papst
     Leo strich. »Ich bin nach Troský gekommen, weil ich   ...«
    »Ich weiß, warum du hergekommen bist«, unterbrach ihn der Magier. »Ich habe mit Samson schon darüber gesprochen. Und wir wissen
     schon einiges.«
    »Das stimmt«, antwortete der Riese auf Reynevans fragenden Blick hin mit einem Lächeln. »Wir wissen schon einiges. Noch nicht
     alles. Aber es gibt einen gewissen Fortschritt.«
    »Es geht nicht um einen gewissen Fortschritt«, Reynevan biss sich auf die Lippen, »sondern darum, eine Möglichkeit zur endgültigen
     Lösung des Problems zu finden. Du hast gesagt, Samson, es ist höchste Zeit, dass du zu dir zurückkehrst. Du hast mich gebeten,
     alle Anstrengungen dafür zu unternehmen. Und jetzt, wo vielleicht die Möglichkeit besteht   ...«
    |315| »Hast du nicht gehört?«, unterbrach ihn Rupilius erneut. »Ich habe gesagt, wir haben miteinander geredet. Etwas wissen wir
     schon. Aber wir haben immer noch nichts Greifbares, leider. Wenigstens im Moment.«
    »Wir wissen schon einiges. In Prag hat sich Vinzenz Axleben mit Samson beschäftigt. Und er ist ein Meister seines Faches.
     Er hat festgestellt, dass es um einen Astralleib geht. Und einen Perisprit. Einen Perisprit. Hmm   ... der positiv kreist.«
    »Ein kreisender Perisprit.« Rupilius verzog das Gesicht. »Na, na, einen Meister erkennt man an seiner Hypothese. Hat euch
     dieser Meister seines Faches wenigstens erklärt, worum es sich dabei eigentlich handelt?«
     
    Was ein Perisprit war, wusste jeder, der sich mit Magie und geheimem Wissen beschäftigte, wenn auch nur oberflächlich. Jeder
     Adept der esoterischen Wissenschaften wurde gleich zu Beginn seiner Ausbildung mit verwickelten und besonders unübersichtlich
     dargebotenen Ausführungen über den Aufbau des menschlichen Seins beglückt.
    Der Mensch, das ging aus diesen Ausführungen hervor, bestehe aus dem physischen Aspekt, also dem materiellen Körper, mit dem
     er auf die ihn umgebende

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