Gottesstreiter
dort herrschen, mögen
Christen nicht besonders. Meist pfählen sie sie oder ziehen ihnen bei lebendigem Leibe die Haut ab. Im Gegensatz zu Axleben
nenne ich mich nicht Meister aller Meister, aber was ich weiß, das weiß ich. Ich kann auch Hypothesen aufstellen, die sich
allerdings von jener, die der Meister aller Meister aufgestellt hat, unterscheiden. Vor allem im Hinblick darauf, was im Bereich
des Möglichen liegt und was nicht, und was machbar |318| ist und was nicht. Machbar ist alles, man muss nur wissen, wie man es durchführen kann.«
»Ohne dich beleidigen zu wollen, aber Hypothesen haben wir mehr als genug. Was wird mit Samson?«, unterbrach diesmal Reynevan
ihn.
»Samson«, Rupilius blickte ihn nicht einmal an, »Samson kennt meine Hypothese, die sich von der Axlebens etwas unterscheidet.
Es ist eine radikale und riskante Hypothese, das gebe ich zu, es würde mich auch nicht wundern, wenn er sie ablehnt und sich
nicht darauf einlässt. Aber falls doch, dann muss er warten. Ich werde zum Kern der Sache vordringen und eine sicherere Methode
für einen neuerlichen Austausch finden, ich benötige dazu höchstens zwei Jahre. Warum wohl, glaubt ihr, setze ich euch gerade
diesen Termin? Wegen meiner Vorliebe für gerade Zahlen? Das bringt uns wieder zu unserer Abmachung zurück. Ich frage also:
Gilt sie?«
»Sie gilt.«
»In zwei Jahren?«
»In zwei Jahren.«
»Dann lasst uns gehen.«
Auf der langweiligen Wanderung durch enge Gänge und über schmale Treppen erzählte Samson Reynevan, was sich in der Zwischenzeit
ereignet hatte. Einiges hatte Reynevan sich bereits selbst zusammengereimt, aber er hörte gerne zu.
Dass Reynevan auf Troský den Katholiken in die Hände gefallen war, hatten sie ganz zufällig erfahren. Die Hussiten hatten
einen Spion auf Burg Dohlenstein, die den Brüdern Jan und Henryk Berka von Dubá gehörte. Herr Lothar von Gersdorf war zu Besuch
auf die Burg gekommen und hatte sieben Gefangene mitgebracht. Während Gersdorf mit den Brüdern feierte, hatte der Spion die
Gefangenen ausgefragt. Besonders einer, angeblich ein früherer Martahúz, war ziemlich gesprächig und plauderte wichtige Dinge
aus. Aus seinem Bericht ging hervor, dass man Hauptmann Vojta Jelínek unter dem |319| Vorwurf des Verrats, der Spionage und der verbrecherischen Vorteilsnahme gefangen genommen und ins Loch gesteckt hatte. Dort
hatte Jelínek bei einem scharfen Verhör vieles gestanden. Darunter auch das mit Reynevan.
Nachdem sie vernommen hatten, dass sich Reynevan auf Troský in den Händen de Bergows befand, erklärten Jan Čapek und die Hussiten
des Hauptmanns, er sei verloren, und wollten nichts von einer Rettungsaktion wissen. Also hatten Scharley, Samson, Tauler
und Bata die Sache selbst in die Hand genommen. Tauler hatte ja immer noch seinen früheren Bekannten, den Pferdeknecht, in
der Nähe. Man beschloss jedoch, dass sich nicht Tauler, sondern Samson in die Burg begeben würde. Sie hatten beobachtet, dass
oft Bauern Vorräte in die Burg brachten, nicht nur mit Wagen, sondern auch zu Fuß. Die Wachen ließen sie in Ruhe, vorausgesetzt,
dass die Ankömmlinge wie Bauern aussahen, dass sie schmuddelig waren, stanken und wie Tölpel oder Dummköpfe wirkten. Samson
Honig war hierfür hervorragend geeignet. Mit einer Gans, einem Butterfässchen und einem Korb mit Pilzen ausgerüstet, begab
er sich in den unteren Teil der Burg, wo er sich in der Menge verlor und begann, den Pferdeknecht zu suchen. Aber bevor er
ihn finden konnte, wurde er selbst gefunden.
Rupilius der Schlesier hatte sehr schnell von den ein paar Tage zurückliegenden Ereignissen erfahren. Vom Besuch der schlesischen
und Lausitzer Ritter und Herren, vom Handel mit den Gefangenen und von einem Wahrsager oder Magier, den man ins Hungerloch
gesperrt hatte. Da er sicher war, dass sich jemand nach dem Eingekerkerten erkundigen würde, hatte Rupilius alle Ankömmlinge
auf der Burg sorgfältig beobachtet, wobei er Magie verwendet hatte. Und mit Hilfe der Magie hatte er Samson entdeckt.
»Mir ist fast das Herz stehen geblieben, als er mich im Stall erwischt hat«, bekannte Samson.
»Mir wäre es fast stehen geblieben, als er mir an die Gurgel |320| gefahren ist«, gab auch Rupilius ehrlich zu. »Ein Glück, dass wir uns gegenseitig gleich erkannt haben.«
Weder der eine noch der andere erzählte, woran, Reynevan drang auch nicht in sie, er beschloss, Samson später nach den
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