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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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du.«
    »Holla! Meine Herren! Was treibt Ihr denn hier?«
    |387| Die Frau, die diese Worte gesprochen hatte, war hoch gewachsen, und die herrische Pose, die sie einnahm, bewirkte, dass sie
     noch größer erschien. Sie trug eine Reise-
houppelande
, einfach geschnitten und graufarben, aber aus kostbarem, feinem Tuch gefertigt und mit einem Bilchpelzkragen. Aus Bilchpelz
     waren auch der Besatz an den Ärmeln und die Haube der Frau, die auf einem
couvrechef
aus Musselin saß, der Haare, Wangen und Hals bedeckte. Unter der Haube sahen ein Paar Augen hervor – blau und kalt wie die
     Sonne an einem Vormittag im Januar.
    »Haben die Herren schon Scherze im Kopf?«, setzte die Frau spöttisch hinzu, »obwohl der Advent noch nicht einmal begonnen
     hat?«
    Liebenthal stampfte mit dem Fuß auf, runzelte zornig die Stirn, hob stolz den Kopf, beherrschte sich dann aber rasch. Unter
     anderem beeindruckt durch die Bewaffneten, die hinter der Frau aus der Vorhalle der Kirche kamen. Unter anderem. Aber nicht
     allein deswegen.
    »Herr Liebenthal, wenn ich nicht irre?« Die Frau maß ihn mit einem Blick. »Letzten Sommer war ich zu Gast in Sorau, da gehörtet
     Ihr zu dem Geleitzug, der mir gewährt wurde. Ich erkenne Euch wieder, obwohl Eure Nase damals eine etwas andere Form und Farbe
     hatte. Erinnert Ihr Euch noch an mich? Wisst Ihr noch, wer ich bin?«
    Liebenthal verneigte sich tief. Priedlanz, Strotschil und Kuhn folgten seinem Beispiel. Reynevan verneigte sich ebenfalls.
    »Ich erwarte eine Antwort! Was tut Ihr hier?«
    »Diesen hier, gnädige Herrin, müssen wir schleunigst nach Stolz bringen.« Liebenthal wies auf Reynevan. »Auf Befehl von Herrn
     Ulrich von Biberstein. Wir müssen ihn ins Schloss bringen   ...«
    »Und ihn zuvor durchprügeln?«
    »Ich habe einen Befehl«, der Ritter räusperte sich und wurde rot, »ich hafte mit meinem Kopf dafür   ...«
    |388| »Euer Kopf wird weniger als ein Bund Stroh wert sein«, unterbrach ihn die Dame, »wenn dieser junge Mann auch nur einen Kratzer
     abbekommt, bevor er nach Stolz gelangt. Kennt Ihr den Herrn auf Stolz, den edlen Herrn Johann von Biberstein? Ich kenne ihn.
     Und ich warne Euch: Er braust leicht auf!«
    »Was soll ich denn tun«, brummte Liebenthal widerwillig, »wenn er mir gegenüber aufsässig ist und zu fliehen versucht?«
    Die Dame machte eine Handbewegung. Sie hatte an ihren Fingern zahlreiche Ringe; den Gesamtwert der in Gold gefassten Edelsteine
     zu schätzen, war auf die Schnelle unmöglich. Die Diener und die bewaffneten Knechte kamen näher, hinter ihnen die Schützen,
     angeführt von einem beleibten Anführer in einer messingbeschlagenen Brigantine, der ein Breitschwert an seiner Seite trug.
    »Ich befinde mich gerade auf dem Weg nach Stolz«, sagte die Dame. Sie richtete ihre Worte mehr an Reynevan als an Liebenthal.
     »Mein Geleitzug garantiert Euch Sicherheit unterwegs«, fügte sie leicht und wie unabsichtlich hinzu, »und die präzise Ausführung
     von Herrn Ulrichs Befehl. Ich hingegen verspreche Euch reichen Lohn, mit dem Herr Johann von Biberstein nicht geizen wird,
     wenn ich Euch lobend erwähne. Was meint Ihr dazu, Herr Liebenthal?«
    Liebenthal blieb nichts anderes übrig, als sich erneut zu verneigen.
    »Darum, dass der Gefangene gut behandelt wird, werde ich mich selber kümmern«, sagte sie, Reynevan nicht aus den Augen lassend.
     »Ihr, Reinmar von Bielau, revanchiert Euch dafür unterwegs mit netter Konversation. Ich warte auf Antwort!«
    Reynevan richtete sich auf. Und verbeugte sich dann abermals.
    »Ich fühle mich geehrt!«
    »Selbstverständlich seid Ihr das!« Die Frau lächelte ein einstudiertes Lächeln. »Also dann, brechen wir auf. Reicht mir Euren
     Arm, junger Mann.«
    |389| Sie streckte die Hand aus. Durch diese Geste war unter dem Bilchpelzbesatz der schmale Ärmel eines Samtkleides von herrlichem,
     lebhaftem, frischem Grün zu erkennen. Er ergriff ihre Hand. Die Berührung bewirkte, dass er erbebte.
    »Ihr kennt mich, edle Dame«, sagte er. »Ihr wisst, wer ich bin. Dadurch seid Ihr mir gegenüber im Vorteil.«
    »Ihr wisst nicht einmal, wie sehr.« Sie lächelte herausfordernd. »Nennt mich also   ...«
    Sie zögerte, dann blickte sie auf den Ärmel ihres Kleides.
    »Nennt mich die ›Grüne Dame‹. Was schaut Ihr so? Ist es etwa nur Euch als fahrendem Ritter gestattet, mit fremdem Namen und
     unter romantischen Pseudonymen aufzutreten? Ich bin für Euch die Grüne Dame. Punktum! Dabei kommt es nicht allein

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