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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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auf die
     Farbe der Kleidung an. Mich mit jenem Grünen Ritter zu vergleichen, das könnte ich wohl wagen. Es hat welche gegeben, die
     auf Geheiß von mir dazu bereit waren, ihren Kopf unters Beil zu legen. Zweifelt Ihr etwa daran?«
    »Ich würde es nicht wagen. Falls sich eine Gelegenheit dazu ergeben sollte, edle Dame, werde auch ich nicht zögern, dies zu
     tun.«
    »Eine Gelegenheit, sagt Ihr? Wer weiß? Wir werden sehen. Vorläufig zögert nicht, mir beim Aufsteigen behilflich zu sein!«
     
    Sie ritten dahin. Zu ihrer Rechten waren die vor dem Hintergrund der Wolken blaugrau hervortretenden Gipfel der Sudeten zu
     sehen. Vor der Grünen Dame und Reynevan ritt nur die Vorhut – der beleibte Anführer und zwei Schützen. Hinter ihnen zogen
     die übrigen Bewaffneten einher, die Knechte und die Dienerschaft, welche Handpferde und Packpferde mit sich führten. Die Nachhut
     des Trosses bildeten Liebenthal
et consortes.
    Sie waren nicht allein unterwegs, auf der Straße herrschte ziemlich reger Verkehr. Das konnte niemanden verwundern, befanden
     sie sich doch auf einer bekannten und seit der Antike genutzten Handelsstraße, die Ost und West miteinander verband. |390| Bis Görlitz war sie als
via regia
, als Königsstraße, bekannt, die über Frankfurt am Main, Erfurt, Leipzig und Dresden nach Breslau führte, in Görlitz zweigte
     davon die Sudetenstraße ab, die am Fuße des Gebirges entlanglief, über Hirschberg, Schweidnitz, Neisse und Ratibor führte,
     um sich bei Krakau wieder mit der von Breslau kommenden
via regia
zu verbinden, die weiter nach Osten zum Schwarzen Meer führte. Es war also kein Wunder, dass auf der Sudetenstraße Wagen an
     Wagen, Tross an Tross dahinzogen. Von Ost nach West, in die deutschen Länder, gelangten, dem Herkommen entsprechend, Ochsen,
     Schafe, Schweine, Häute, Felle, Wachs, Pottasche, Honig und Fett. Von West nach Ost kam traditionell Wein. Und Gegenstände,
     die von der fortschrittlicheren Industrie im Westen gefertigt wurden, die sich im Osten, auch dies der Tradition gemäß, nicht
     so recht entwickeln wollte.
    Die Grüne Dame zügelte ihre schmucke weiße Stute und ritt so nahe an Reynevan heran, dass ihr Knie das seine leicht streifte.
    »Du hast getrocknetes Blut am Kragen«, bemerkte sie. »Ist das deren Werk? Das von Liebenthal und seinen Kumpanen?«
    »Nein.«
    »Eine kurze Antwort.« Sie spitzte die Lippen. »So lapidar, dass es fast wehtut. Jedenfalls wenn ich daran denke, dass ich
     mir im Stillen gewünscht habe, du würdest das Thema aufgreifen und mich mit einer unterhaltsamen Geschichte erfreuen. Wenn
     ich dich daran erinnern darf: Du sollst mich unterhalten. Aber wenn dir das missfällt, werde ich mich nicht aufdrängen.«
    Er antwortete nicht, es hatte ihm ganz einfach die Sprache verschlagen. Eine Zeit lang ritten sie schweigend dahin. Die Grüne
     Dame schien vollkommen in die Bewunderung der Landschaft vertieft zu sein. Reynevan warf hin und wieder einen Blick auf sie.
     Heimlich. Schließlich ertappte sie ihn dabei und zog seinen Blick an wie die Spinne eine Fliege. Er wich ihrem Blick, der
     ihn erschaudern ließ, aus.
    |391| »Wenn ich es recht verstanden habe«, sie nahm das Gespräch einigermaßen ungezwungen wieder auf und beendete damit die zwischen
     ihnen währende Stille, »wenn ich es recht verstanden habe, ist es dir gelungen, deinen Bewachern zu entkommen. Um tags darauf
     zurückzukehren. Freiwillig. Du hast dich also nur eine Nacht deiner Freiheit erfreut. Und nun reitest du nach Schloss Stolz
     und begibst dich in die Hände und in die Macht von Johann von Biberstein. Um so zu handeln, musstest du einen Grund haben.
     Hattest du einen?«
    Er antwortete nicht, sondern nickte nur. Die Augen der Grünen Dame verengten sich gefährlich.
    »Einen wichtigen Grund?«
    Wieder wollte er nicken, hielt sich aber noch rechtzeitig zurück.
    »Einen wichtigen, Herrin. Aber ich würde es vorziehen, nicht darüber zu sprechen. Seid mir nicht gram. Aber wenn ich Euch
     verletzt haben sollte, tut es mir leid, und ich bitte Euch um Vergebung.«
    »Es sei dir vergeben.«
    Er blickte wieder verstohlen zu ihr hinüber, und wieder fing sie seinen Blick ein. Mit einem Gesichtsausdruck, den er nicht
     deuten konnte.
    »Ich hatte und habe weiterhin Lust auf Konversation. Mit meinen Fragen wollte ich dich nur zu etwas größerer Gesprächsbereitschaft
     bewegen. Denn auf die meisten meiner Fragen kenne ich die Antwort ohnehin.«
    »Wirklich?«
    »Du begibst

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