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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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zurück? Tagsüber hingen keine schwarzen Rauchwolken
     mehr am Himmel, auch nachts leuchtete kein Feuerschein mehr. Die Leute hatten die Nase voll vom Umherirren, sie wollten nach
     Hause. Zu den Brandstätten. Zu ihren niedergebrannten Städtchen und Dörfern. Nach Zobten am Berge, nach Gnichwitz, nach Gorrek,
     Frankenthal, Arnoldsmühle, Lorzendorf, Rackschütz und Schlaup. Und in viele, viele andere Orte mit fremd klingenden und nichts
     sagenden Namen.
    Ein Ochse brüllte, eine Ziege meckerte. Igendwo bei den Wagen weinte ein Kind. Mit raschem Schritt ging Elencia von |565| Stietencron an Dzier żka vorbei. Nachdem sie zusammen mit den anderen die Arbeit in der Küche beendet hatte, war Elencia nicht
     mit ihnen gekommen, um sich auszuruhen und Kraft zu schöpfen. Elencia schien sich niemals auszuruhen. In den sieben Tagen,
     seit Dzier żka de Wirsing das Lager leitete und finanziell unterstützte, hatte sich Elencia nur auf entschiedenen Befehl hin
     ausgeruht. Dzier żka mochte ihr gegenüber jedoch nicht befehlend auftreten. Sie hatte gesehen, wie das Mädchen darauf reagierte.
     Sie hatte es gleich am ersten Tag gesehen, als Elencia von Stietencron auf dem Braunen von Tybald Raabe nach Schalkau gekommen
     war. Als Dzier żka noch gemeint hatte, sie wüsste, wie man das Mädchen am wirksamsten aus seiner Dumpfheit und Lethargie hervorlocken
     könnte.
    »Armes Schlesien«, wiederholte der dickliche Kaufmann aus Breslau, den selbst der Überfall auf Schlesien nicht davon abgehalten
     hatte, mit einem Wagen voller Waren loszufahren.
    »Verdammtes Schlesien!«, wiederholte der Müller aus Märzdorf.
    Die Flüchtlinge, die um das Feuer herumsaßen – so etwas wie ein aus eigenständiger Initiative hervorgegangener Lagerrat, Leute
     von sichtlicher Autorität   –, nickten und murmelten etwas vor sich hin. Dzier żka war unter ihnen die einzige Frau. Aufrechte Landleute mit dem Aussehen
     und der Haltung geborener Anführer waren in der Mehrzahl. Neben dem dicklichen Breslauer saß da der Müller aus dem in der
     Nähe von Brieg gelegenen Märzdorf, ein Pächter aus der Nähe von Kanth, zwei Soldaten in bunten Uniformen, die der Staub vieler
     Straßen hatte verblassen lassen, und ein Wirt aus Gorrek. Dann ein Bader aus Zobten am Berge, der sich nützlich machte, ein
     Minderbruder aus dem Kloster von Neumarkt, einer von den älteren, die jüngeren kümmerten sich ununterbrochen um die Kranken
     und Verwundeten. Dann ein Jude, von dem keiner wusste, woher er kam. Und ein Ritter. Einer von den ärmeren, der aber allein
     durch seine Anwesenheit Aufsehen erregte.
    »Zweimal haben wir schon in Breslau um unser Leben gebangt« |566| , erzählte der dickliche Kaufmann. »Das erste Mal am Donnerstag vor Palmsonntag, als die Hauptmacht der Hussiten vor Ohlau
     stand, nachdem sie Brieg geplündert und Ritschen niedergebrannt hatten.«
    »Der Feuerschein und der Rauch waren weithin zu sehen, und der Wind hat den Brandgeruch zu uns herübergetragen. Und von Ohlau
     nach Breslau ist es doch nur noch ein Katzensprung   ... Wohl sind die Mauern fest und mit Schießgerät gut bestückt, um unser Leben haben wir trotzdem gebangt   ... Aber Gott hat uns beschützt. Sie sind abgezogen.«
    »Nicht für lange«, bemerkte einer der Soldaten.
    »Gewiss nicht. Kaum hatten wir aufgeatmet, nachdem wir gehört hatten, dass Prokop nach Strehlen zieht, kaum hatten wir ein
     unruhiges Osterfest gefeiert, da läuteten schon wieder die Glocken aller Türme. Die Hussiten kommen zurück! Sie kommen mit
     noch größerer Streitmacht. Nachdem sie sich mit diesen höllischen Waisen verbündet hatten, haben sie Reichenbach niedergebrannt
     und Zobten am Berge, die Wege waren schwarz von Flüchtlingen. Am Freitag vor dem Sonntag
Misericordia
haben wir auf den Mauern erneut Rauch aufsteigen sehen. Diesmal von Westen her, da brannte Kanth. Die Nachricht kam, dass
     bei Neumarkt ein großes Heer steht, dass sich Prokop auf die Erstürmung vorbereitet. Wieder haben die Glocken geläutet, und
     die Frauen sind mit den Kindern in die Kirchen geflüchtet   ...«
    »Aber auch diesmal habt ihr Glück gehabt«, meinte Dzierżka. »Es hat kein Ansturm stattgefunden, wie wir alle wissen. Zwei
     Tage später, eben am Sonntag
Misericordia
, sind die Böhmen abgezogen.«
    »Sie sind abgezogen«, bestätigte der andere Soldat, »in Richtung Striegau. Alle dachten, sie würden gegen Schweidnitz vorrücken.
     Taten sie aber nicht. Vielleicht hat die

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