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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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überraschend.
    »Heute ist der zweiundzwanzigste Dezember Anno Domini 1428.« Der Mauerläufer setzte sich und griff nach der auf der Kommmode
     stehenden Karaffe. »Am siebten November 1427, also vor über einem Jahr, habe ich Euch hier in diesem Schloss, in dieser Stube
     angefleht, und Euer Bischöfliche Gnaden hatten mir versprochen   ...«
    »Die Bischöfliche Gnaden ist zu einer anderen Ansicht gelangt«, sagte Konrad von Oels, ihm das Wort abschneidend. »Und zwar
ad maiorem Dei gloriam.
Reinmar von Bielau ist zu einer wichtigen Figur in diesem Spiel geworden, und der Einsatz ist hurensohnmäßig hoch. Womit hast
     du denn gerechnet? Dass ich dir Bielau überlasse, damit du ihn umbringen kannst? Wegen einer für mich undurchschaubaren privaten
     Angelegenheit? Ich weiß, ich weiß, wir hatten früher mit Bielau andere Pläne, er sollte uns dazu dienen, die Affäre mit dem
     Überfall auf den Steuereinnehmer zu vertuschen. Aber jetzt verlangt das Wohl der Kirche und des Landes etwas ganz Anderes.
     Ich habe dir befohlen, mit Herzog Johann bei der Suche zusammenzuarbeiten. Ich habe Johann die Erlaubnis erteilt, ins Kloster
     von Weißkirchen einzudringen. Ha, er wäre sicher auch ohne Erlaubnis gegangen, das Kloster steht auf seinem Grund und Boden,
     und die Äbtissin ist seine Schwester, aber das ist jetzt nicht so wichtig. Wichtig ist, dass sich Johann von Münsterberg an
     eine wirklich große Sache wagt. Wenn dieses Kriegsunternehmen glückt – und es hat große Aussicht auf Erfolg   –, versetzen wir den Häretikern einen gewaltigen Schlag, einen Schlag, wie sie ihn bislang nicht zu spüren bekommen |672| haben. Begreifst du das, Birkhart, kannst du das mit deinem Verstand erfassen? Zuerst schwere Hiebe bei Kratzau, jetzt ein
     Pogrom, das Johann von Münsterberg bald gegen sie verüben wird. Der Mythos, dass die Hussiten im Kampf nicht zu besiegen seien,
     wird zerbersten. Andere werden unserem Beispiel folgen. Das wird der Anfang von ihrem Ende sein. Ihrem Ende, mein Sohn. Ich
     war im Jahre zwanzig in Prag, zu Sigismunds Krönung. Ich habe von der Burg auf die Stadt heruntergeschaut, die sich wie ein
     wütender Hund hinter dem Fluss duckt. Und als wir von dort fortgezogen sind, habe ich mir gelobt, dass ich eines Tages wiederkomme.
     Dass ich mir ansehe, wie man diesem tollen Hund die Fangzähne ausschlägt, wie diese ganze ketzerische Nation die Strafe für
     ihre Verbrechen erhält. Wie das Blut durch die Straßen dieser elenden Stadt strömt und die Moldau sich davon rot färbt. Und
     so wird es sein, so wahr mir Gott helfe. Und ein bedeutender Schritt in diese Richtung ist Johann, der Herzog von Münsterberg.
     Und der Kriegsplan, den ich erdacht habe und den Johann ausführt. Dieser Plan muss gelingen. Gott will es. Und ich will es
     auch.«
    »Deshalb«, der Bischof richtete sich auf, »verbiete ich dir ausdrücklich alle Unternehmungen, die diesen Plan gefährden könnten.
     Oder auch nur verkomplizieren. Johann hält Reinmar von Bielau im Kerker des Münsterberger Schlosses gefangen. Ich verbiete
     dir, dich diesem Kerl auch nur einen Schritt zu nähern, ich verbiete dir, mit Reinmar zu reden, und ich verbiete dir, ihn
     auch nur anzurühren. Ich verbiete es dir strengstens und ausdrücklich. Ich weiß, dass du ein Zauberer, ein Polymorpher und
     Nekromant bist, ich weiß, dass du durch die Mauern gegangen bist, um in Breslau zu den Gefangenen zu gelangen. Ich weiß, was
     du kannst und wozu du in der Lage bist. Aber ich warne dich: Wenn du meinen Befehl nicht befolgst, wirst du meinen Zorn auf
     dich ziehen. Und dann wirst du merken, wozu ich in der Lage bin. Hast du verstanden, Birkhart, mein Sohn? Wirst du dich danach
     richten?«
    »Habe ich denn eine Wahl? Vater?«
    |673| Der Bischof schnaubte zornig. Dann schlug er die Bibel mit einem Knall zu und stellte einen Pokal obendrauf. Und goss sich
     Burgunderwein mit Zimt ein.
    »Mal so ganz unter uns«, fragte er nach einer Weile, offensichtlich ganz gleichmütig, »wozu wolltest du eigentlich diesen
     Bielau? Doch nicht nur aus purer Rachgier und Mordlust? Du wolltest etwas aus ihm herausbekommen, irgendetwas erforschen.
     Was? Ha, du willst es mir gewiss nicht sagen   ... Keine Einzelheiten verraten. Aber vielleicht so ganz allgemein?«
    Der Mauerläufer lächelte, aber es war ein ausgesprochen bösartiges Lächeln.
    »So ganz allgemein«, stieß er langsam und halblaut zwischen seinen lächelnden Lippen hervor, »warum nicht? Ich

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