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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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wollte aus
     Reinmar Bielau eine Information herausholen, die mich zu einem seiner Gefährten geführt hätte. Aus dem hätte ich dann weitere
     Informationen herausgeholt. Und dabei ein wenig an Wissen gewonnen. Ganz allgemein. Unter anderem darüber, ob die Schrift,
     in der du gerade gelesen hast, Väterchen Bischof, wirklich das ist, wofür man sie gewöhnlich hält. Oder ob sie nur so viel
     wert ist wie die Fabeln von Äsop.«
    »Interessant«, sagte Konrad, nachdem er einen Moment gestutzt hatte, »wirklich interessant. Aber wie dem auch sei, meine Befehle
     bleiben bestehen.
Ad maiorem Dei gloriam.
Um Fabeln kümmern wir uns, wenn die Zeiten besser sind.«
     
    Der Mauerläufer flog von den Zinnen des Neissener Schlosses auf und überschlug sich ein paar Mal in der Luft, weggetrieben
     vom Windstoß, der vom Reichensteiner Gebirge herabkam. Er fing sich wieder, krächzte und segelte in die Nacht hinaus. Er flog
     auf das Massiv des Zobten zu. Aber nicht zum Zobten selbst. Der Zobten war etwas für Amateure, für Dilettanten, als Ort für
     Zauberei ein wenig zu geistlos und maßlos überschätzt. Der Mauerläufer flog zum Geiersberg, auf dessen lang gestreckten Gipfel.
     Zum Steinwall und dem in seiner Mitte befindlichen Stein, der an einen Katafalk erinnerte. |674| Ein Monolith, der schon hier gelegen hatte, als im Vorland der Sudeten noch das Mammut herumgetrampelt war und Riesenschildkröten
     ihre Eier auf der heutigen Sandinsel abgelegt hatten.
    Auf dem Stein angekommen, verwandelte er sich. Der Wind zerrte an seinen schwarzen Haaren. Er streckte beide Arme in die Höhe
     und schrie. Wild, laut und lange. Es schien, als erzittere der ganze Geiersberg von diesem Schrei.
    In der fernen Einöde, auf dem Gipfel eines entlegenen Berges, entzündeten sich rote Feuer in den Fensteröffnungen der über
     einer Felsenklippe thronenden Burg Sensenberg. Den Himmel über der alten Wehrburg erhellte ein rötlicher Schimmer. Mit Getöse
     öffneten sich die Pforten. Ein dämonischer Schrei und Hufgetrappel erklangen.
    Die schwarzen Reiter beeilten sich, dem Ruf zu folgen.
     
    »Ich habe beschlossen«, erklärte, mit einem Stilett spielend, Johann, der Herzog von Münsterberg, »ich habe beschlossen, dir
     noch eine Chance zu geben, Reinmar von Bielau.«
    Reinmar blinzelte, der Schein der Kerzen blendete ihn schmerzhaft nach seinem langen Aufenthalt im Dunkel. Außer dem Herzog
     waren noch andere Leute in dem Gemach. Er kannte nur Borschnitz.
    »Obwohl deine Vergehen schwer sind und die strengste Bestrafung erfordern«, der Herzog spielte immer noch mit dem Stilett,
     »habe ich beschlossen, dir eine Chance zu geben. Damit du deine Schuld wenigstens ein bisschen sühnen und dir durch Bußfertigkeit
     die Gnade Gottes verdienen kannst. Jesus hat für uns gelitten, und Gott ist barmherzig, er vergibt die Sünden und wäscht alles
     Unrecht von uns ab. Mögen auch die Sünden rot wie Scharlach sein, wäscht er sie doch rein wie Schnee. Auf Jesu Fürbitte und
     die Barmherzigkeit unseres Herrn kann ein jeder rechnen, selbst so ein Abtrünniger, Lästerer und Zauberer, so ein entarteter
     Lumpenhund, so ein Auswurf von Ratten, so eine Eiterbeule, so ein Fetzen, Sudelfink, Hurenkerl und |675| Hundspimmel wie du. Die Bedingung dafür sind Reue und die Bereitschaft zur Besserung. Ich gebe dir die Chance, dich zu bessern,
     Reinmar Bielau!«
    »Die Hussiten zögern immer noch mit dem Sturm auf Glatz.« Johann von Münsterberg warf das Stilett auf den Tisch, auf die dort
     aufgeschlagene Karte. »Sie haben ein befestigtes Lager im Süden der Stadt errichtet, in der Nähe von Rengersdorf, direkt an
     der Straße nach Mittelwalde. Du weißt, wo das ist, stimmt’s? Du reitest dorthin. Královec kennt dich und traut dir, also wird
     er auf dich hören. Du wirst ihn dazu bringen, das Lager abzubrechen und nach Norden zu marschieren. Du wirst ihn mit einer
     Lüge ködern, mit der Aussicht auf reiche Beute, mit der Möglichkeit eines vernichtenden Angriffs auf die Truppen des Bischofs,
     mit der Aussicht, den Bischof bei lebendigem Leibe zu fangen   ... Es ist deine Sache, mit welcher Lüge du ihn dazu bringst, Hauptsache, er marschiert. Nach Norden, über Schwedeldorf und
     Roschwitz, das Tal der Steine entlang und dann weiter nach Neurode. Es ist wohl klar, dass die Hussiten nie so weit kommen,
     wir werden uns mit ihnen   ... früher befassen. Aber es ist immerhin wichtig   ... Hörst du mir zu?«
    »Nein!«
    »Was?«
    »Du

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