Gottesstreiter
Erdboden. Der in Kolín eingeschlossene
Diviš Bořek von Miletínek zeigte auf diese Weise, dass es ihm weder an Kampfeswillen noch an Schießpulver mangelte.
»Wir werden Herrn Diviš Bořek zur Aufgabe zwingen.« Prokop kam jetzt eventuellen Fragen zuvor. »Und wir werden die Stadt einnehmen,
ohne Verwüstungen, ohne Gemetzel nach der Erstürmung und ohne Plünderungen. Damit die Bürger unseren Bruder Hertvik, der hier
in Kürze der Hetman sein wird, gleich lieben lernen.«
Die Hussitenführer, die um Prokop herumstanden, brachen im Chor in Gelächter aus. Reynevan kannte viele von ihnen, aber nicht
alle. Jan Hertvik von Rušinov kannte er nicht, der, |118| wie sich jetzt erwies, seine Ernennung zum Hetman von Kolín schon in der Tasche hatte. Von den anderen Waisen war er bisher
nur Jan Královec von Hradek und Jíra z Řečice begegnet, in jenem hellhaarigen, freundlich lächelnden Riesen vermutete er Jan
Kolda von Žampach. Von den Anführern von Tábor erkannte er Jaroslav von Bukowina, Jakub Kromĕšín, Otíka z Lozy und Jan Bleh
z Těšnice.
»Damit wäre wohl klar«, Prokop reckte sich und blickte in die Runde, »dass dies nicht nur für die Büchsenschützen gilt, sondern
auch für alle anderen. Also übereilt bitte nichts, drängt euch nicht nach vorn und vergeudet das Pulver nicht ...«
»Wir sollen einfach hier stehen bleiben?«, fragte Jan Kolda mit deutlich hörbarem Missmut. »Hier vor diesen Mauern? Ohne etwas
zu tun?«
»Wer hat gesagt, dass ihr nichts tun sollt? Bruder Jaroslav!«
»Zu Befehl!«
»Hat Fil ... hat Bruder Neplach endlich die Stentoren geschickt?«
»Er hat sie geschickt«, bestätigte Jaroslav von Bukowina, »zehn an der Zahl. Oh, die haben vielleicht gemeine Visagen ... Die stinken so nach Schnaps und Zwiebeln, dass es einen gestandenen Mann glatt umhaut. Aber ihre Stimmen sind ideal, wie
Glocken.«
»Sie sollen sich unter die Mauer stellen und rufen. Tag und Nacht. Besonders nachts, in der Nacht wirkt das am besten. Hat
Herr Bořek Kinder in Kolín?«
»Eine Tochter.«
»Dann sollen sie viel über diese Tochter hinaufrufen. Du aber, Bruder Kolda, weil du Nichtstun nicht ausstehen kannst ...«
»Zu Befehl!«
»Du nimmst deine Reiter und ziehst durch die Dörfer, auf dieser und auf der anderen Seite der Elbe. Du tust noch einmal überall
kund, dass jeder, der auch nur versucht, Lebensmittel in die Stadt zu schmuggeln, dies bitter bereuen wird. |119| Wenn wir bei ihm auch nur ein Zündhölzchen finden, auch nur ein Säcklein Grieß, werden Hände und Füße abgehackt.«
»Zu Befehl, Bruder Prokop!«
»Dann macht euch an euer Werk, geht zu euren Männern, ich will euch nicht länger aufhalten! Und du, Bruder, was willst du
noch immer hier?«
»Es krachen lassen«, stotterte der Büchsenmeister, »mit der großen Bombarde ... Bloß noch ein einziges Mal ... Bevor es dunkel wird ...«
»Ich hab doch gewusst«, seufzte Prokop, »dass du keine Ruhe gibst. Gut. Aber erst einmal kommst du mit mir, ich werde mir
deine Vorbereitungen anschauen. Wir werden ja sehen, wie und worauf du deine Büchsen gerichtet hast. Sei gegrüßt, Scharley!
Sei mir ebenfalls gegrüßt, Bruder Bielau! Kommt mit mir! Gleich werde ich Zeit für euch haben ...«
Reynevan hatte sich seit langem den Kopf zerbrochen, woher die Bekanntschaft zwischen den beiden stammen mochte. Prokop der
Kahle und Scharley hatten sich bei ihrer Begegnung zu Fastnacht 1426 in der Stadt Nimburg wiedererkannt, wohin man die Kompanie
von Hradec Králové geschickt hatte. Wer weiß, womöglich hatte dies ihnen allen den Kopf gerettet, denn die Gottesstreiter,
die jeden für einen Spion und Provokateur hielten, zuerst die aus Hradec Králové, dann die aus Nimburg, hatten ihnen mehr
und mehr misstraut und waren immer feindseliger geworden. Es half ihnen nichts, sich auf Peterlin und Horn zu berufen, denn
beide waren, wie sich zeigte, so geheime Mitarbeiter, dass ihre Namen unbekannt waren und auf Protektion daher nicht zu hoffen
war. Wer weiß, was geschehen wäre, wäre nicht Prokop aufgetaucht.
Zwar fiel er Scharley nicht um den Hals, er begrüßte ihn auch nicht gerade überschwänglich, aber man sah, dass sich die beiden
kannten. Das Woher blieb auch weiterhin ein Geheimnis, keiner der beiden zeigte sich geneigt, es zu erklären oder darauf einzugehen.
Man wusste, dass Prokop am Carolinum studiert und auch |120| Universitäten im Ausland besucht
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