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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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schicksalhaften Tag hatte Ritter Hartwig von Stietencron
     seine Tochter zu Verwandten nach Wartha bringen wollen. Er brachte sie von seinen eigenen, überdies ärmlichen Besitzungen
     dorthin, um sie von der rachsüchtigen und bösartigen Tyrannei ihrer Stiefmutter, seiner zweiten Frau, zu befreien. Um sie
     aus der Reichweite der schwitzigen Hände der beiden Söhne der Stiefmutter zu entfernen, zweier Tunichtgute und Säufer, die,
     nachdem sie alle Mädchen am Ort und in der Umgebung durchhatten, begannen, begehrliche Blicke auf Elencia zu werfen.
    »Hast du nie an Rückkehr gedacht?«
    »Mir geht es hier gut.«
    Ihr geht es hier gut, wiederholte er in Gedanken. Bei den Verwandten, zu denen sie nach ihrer Flucht und längerem Umherirren
     schließlich gelangt war, war sie nicht lange geblieben. Sie hatte sich weder einleben noch eingewöhnen können, von |190| Zuneigung ganz zu schweigen. Bereits im Dezember hatten die Hussiten, Ambros ’ Waisen aus Hradec Králové, Wartha erobert,
     geplündert und verbrannt. Beide Verwandten, der Mann und die Frau, waren bei dem Gemetzel umgekommen.
    Pech verfolgt dieses Mädchen. Ein Fatum. Ein schlimmes Geschick.
    Aus dem verbrannten Wartha war Elencia ins Siechenhaus nach Münsterberg gelangt. Sie war lange geblieben. Zunächst als Patientin,
     in tiefer Apathie, die fast an Stupor grenzte. Dann, nach ihrer Genesung, als Pflegerin der anderen Kranken. In letzter Zeit,
     der neugierige Tybald Raabe, Hansdampf in allen Gassen, hatte auch dies herausgefunden, interessierten sich die Klarissen
     von Strehlen für sie, und Elencia dachte ernsthaft über ein Noviziat nach.
    »Also bleibst du hier«, folgerte der Eisenäugige.
    »Ich bleibe hier.«
    Bleib, dachte der Eisenäugige. Bleib. Es hängt viel davon ab, dass du bleibst.
     
    »Bruder Andreas Kantor?«
    »Ich   ...«, der Diakon von Heilig Kreuz sprang auf, als er so plötzlich hinter seinem Rücken eine Stimme vernahm. »Ich bin   ... Och   ... Heilige Mutter Gottes! Ihr seid es!«
    Der Mann, der hinter ihm stand, trug Schwarz, er hatte einen schwarzen Mantel, ein schwarzes Wams, schwarze Hosen an und schwarze
     Haare, die ihm bis zu den Schultern reichten. Ein Vogelgesicht, die Nase geformt wie ein Vogelschnabel.
    Und einen Blick wie der Leibhaftige.
    »Wir sind es«, bestätigte er lächelnd, aber beim Anblick dieses Lächelns gefror dem Diakon das Blut in den Adern. »Wir haben
     uns lange nicht gesehen, Kantor. Ich bin in Frankenstein vorbeigekommen, um zu erfahren, ob   ...«
    Der Diakon schluckte.
    »Ob sich in letzter Zeit jemand nach mir erkundigt hat«, beendete der Mauerläufer seinen Satz.
     
    |191| Wenn Konrad von Oels, der Bischof von Breslau, auf Schloss Ottmachau weilte, wurde – und dies war zur peinlich genau befolgten
     Regel geworden – die Tür zum bischöflichen Schlafgemach streng bewacht, niemandem war es gestattet, sie zu öffnen, geschweige
     denn einzutreten. So erstarrte der Bischof denn auch, als die Tür plötzlich mit einem Knall aufsprang und ein Knäuel von Leuten
     hereinkullerte. Der Bischof fluchte lästerlich. Eine sommersprossige, rothaarige, kurz geschorene Nonne sprang mit einem spitzen
     Schrei zwischen seinen Schenkeln hervor. Eine zweite Nonne, gleichfalls vollkommen nackt, verbarg ihren Kopf im Federbett,
     wobei sie etwas für ein Publikum weitaus Interessanteres zur Schau stellte.
    Das Menschenknäuel auf dem Fußboden hatte sich inzwischen entwirrt, es bestand aus Kutscher von Hunt, dem Leibwächter des
     Bischofs, zwei Ottmachauer Wächtern und Birkhart von Grellenort.
    »Euer Eminenz   ...«, stieß Kutscher von Hunt, nach Luft ringend, hervor. »Ich habe versucht   ...«
    »Er hat es versucht«, bestätigte der Mauerläufer und spuckte das Blut, das aus seiner aufgerissenen Lippe quoll, auf den Boden.
     »Aber die Angelegenheit, in der ich komme, duldet keinen Aufschub. Ich habe es ihm gesagt, aber er wollte nicht hören   ...«
    »Raus!«, brüllte der Bischof. »Alle raus! Nur Grellenort bleibt da!«
    Die Wächter hinkten mit Kutscher von Hunt hinaus. Hinter ihnen her rannten, barfuß auf den Boden patschend, die Nonnen, bemüht,
     mit Hemden und Habiten von ihren Reizen so viel wie möglich zu verhüllen. Der Mauerläufer schloss die Tür hinter ihnen.
    Der Bischof erhob sich nicht von seinem Lager, er bedeckte nur jenen Teil seines Körpers, dem sich die rothaarige Nonne eben
     noch so hingebungsvoll gewidmet hatte.
    »Wehe, wenn es nicht wirklich dringend

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