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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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den Felsen trat der Mauerläufer
     hervor.
    Der eiserne Wolf kam nach vorne und betrat ebenfalls den Kreis. Dieser belebte sich plötzlich. Hinter den Steinen, unter ihnen
     und zwischen ihnen hervor, aus dem Dickicht aus verflochtenem Gras und Reisig leuchteten plötzlich Dutzende, hunderte Augen
     wie kleine Laternen auf, betriebsam, beweglich, nervös wie Glühwürmchen. Die Stille der Nacht erfüllte eine beunruhigende
     Melodie aus Geflüster und Gewisper sirrender, hoher, nichtmenschlicher Stimmen.
    |204| »Sie sind gekommen, um dich und mich zu sehen.« Der Mauerläufer wies mit einer Bewegung des Kopfes auf den Kreis hin. »Die
     beiden möglicherweise letzten Polymorphen in diesem Teil der Welt. Sie haben gesehen, wie wir unsere Gestalt verändert haben.
     Jetzt wollen sie sehen, wie wir uns töten.«
    Er bewegte den Unterarm, und in seine Hand glitt ein Messer, mit einer Klinge aus Toledo von neun Zoll Länge, die im Licht
     des Mondes blitzte.
    »So lass uns ihnen ein würdiges Schauspiel bereiten«, erwiderte der eiserne Wolf mit rauher Stimme. »Etwas, das es wert ist,
     berichtet zu werden.«
    Er machte eine Bewegung mit der Hand und dem Messer, das ihm aus dem Ärmel direkt in die Hand gesprungen war.
    »Du wirst sterben, Wolf!«
    »Du wirst sterben, Vogel!«
    Sie begannen sich im Kreis zu bewegen, langsam, die Füße vorsichtig aufsetzend, ohne einander aus den Augen zu lassen. Dann
     sprangen sie aufeinander zu und führten blitzschnell Stöße aus. Der Mauerläufer stach von oben zu, ins Gesicht, der Wolf wich
     um einen Viertelzoll mit dem Kopf aus, stieß von unten zu, in den Bauch, der Mauerläufer wich dem Stoß aus, aus einem Hüftschwung
     heraus stach er von der linken Seite her zu, der Wolf wiederum rettete seinen Hals mit einer leichten Finte, sprang rückwärts,
     drehte das Messer in seiner Hand, täuschte und stach von unten nach oben, mit einem Klirren traf seine Klinge auf die ebenfalls
     umgedrehte Klinge des Mauerläufers. Beide versetzten einander ein paar blitzschnelle Stöße und sprangen dann nach hinten weg.
    Keiner von beiden hatte auch nur den geringsten Kratzer.
    »Du wirst sterben, Vogel!«
    »Du wirst sterben, Wolf!«
    Die laternenähnlichen nichtmenschlichen Augen funkelten und wogten in der Dunkelheit, das murmelnde, aufgeregte Geflüster
     wuchs und schwang hin und her.
    |205| Diesmal umkreisten sie sich länger, den Abstand einmal verringernd, einmal vergrößernd.
    Der Wolf griff an und hieb mit dem gerade gehaltenen Messer über Kreuz, beendete die Attacke mit einer Drehung der Waffe und
     einem tückischen Stoß gegen den Hals.
    Der Mauerläufer wich aus, stieß zuerst von links, dann von ganz unten, von rechts, zu, mit einem weiten, vernichtenden Schwung,
     und beendete dann mit einem Ausfall und einem geraden Stoß. Der Wolf parierte den Hieb mit seinem Messer, dem Stoß wich er
     durch eine halbe Drehung aus, drang selbst mit einem Ausfall vor, mit einer Finte, und hielt im Sprung von oben auf die Seite
     des Halses. Diesmal wich der Mauerläufer nicht aus, er parierte mit dem Unterarm, drehte sich herum, drehte das Messer in
     seiner Hand, und mit einem kräftigen Stoß, ausgeführt mit der ganzen Kraft seiner Schulter, traf er den Wolf mitten in den
     Solarplexus. Die Klinge glitt bis zum Griff hinein.
    Der Wolf gab keinen Laut von sich. Er seufzte erst auf, als der Mauerläufer die Klinge aus der Wunde zog und ein Stück zurückwich,
     geduckt, bereit, den Stoß zu wiederholen. Aber es bedurfte keines weiteren Angriffes. Dem Wolf rutschte das Messer aus den
     Händen. Er fiel auf die Knie.
    Der Mauerläufer trat vorsichtig näher, den Blick unverwandt auf die brechenden eisenfarbenen Augen gerichtet. Er sagte kein
     Wort.
    Es herrschte vollkommene Stille.
    Der eiserne Wolf seufzte erneut, kippte leicht nach vorne und sank dann schwer auf die Seite. Er bewegte sich nicht mehr.
    In dem Kreis aus Felsen auf dem uralten Friedhof, inmitten der pulsierenden, uralten Magie und Macht der Kultstätte der vergessenen
     und ewigen alten Götter, reckte der Mauerläufer die Hände und das blutige Messer empor. Und schrie. Triumphierend. Ekstatisch.
     Unmenschlich.
    Die Umgebung erstarrte in Grauen.

|206| Sechstes Kapitel
    in dem in einer ganz bestimmten Schenke am Kreuzweg die Unterhaltungsindustrie blüht und gedeiht. Würfel fallen, und infolgedessen
     geschieht etwas, das unausweichlich und unabdingbar scheint. Wenn jemand denkt, dies alles könnte der Anfang

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