Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
gewaltiger Schwierigkeiten
     sein, dann liegt er damit richtig.
     
    Die Schenke am Kreuzweg war als einziges Gebäude von dem Dorf, das einst hier gelegen hatte und an das heute nur noch ein
     paar verkohlte Feuerstellen, kümmerliche Reste von Gebälk und der immer noch spürbare Brandgeruch erinnerten, übrig geblieben.
     Wer diese Ortschaft in Rauch hatte aufgehen lassen, war schwer zu sagen. Die meisten Spuren wiesen auf Deutsche oder Schlesier
     hin – das Dorf hatte an dem Weg gelegen, der die Kreuzfahrer im Juni 1420 unter König Sigismund nach Prag geführt hatte. Sie
     hatten so ziemlich alles niedergebrannt, was niedergebrannt werden konnte, sich aber bemüht, die Schenke zu verschonen. Aus
     verständlichen Gründen.
    Die Schenke war für die Gegend typisch, niedrig, gedrungen und strohgedeckt, wobei etwa genauso viel altes, verdorrtes Moos
     wie Stroh das Dach bedeckte; sie hatte mehrere Eingänge und kleine Fensterchen, durch die man jetzt in der Dunkelheit die
     flackernden Lichter der Ölfunzeln und Kerzen sah, unbeständig und flüchtig wie Irrlichter im Moor. Aus dem Kamin kroch weißer
     Rauch, stand über dem Strohdach und floss dann auf die Wiesen hinaus. Ein Hund bellte.
    »Wir sind da.« Scharley hielt sein Pferd an. »Hier besäuft sich, wie ich gehört habe, Herr Fridusch Hunzleder.«
    |207| »Fridusch Hunzleder«, obwohl ihm die Frage nicht gestellt worden war, hatte der Demerit sofort verstanden, »ist ein Geschäftsmann,
     ein Unternehmer. Mit Einfallsreichtum hat er es verstanden, das Missverhältnis zu beseitigen, das infolge gewisser außerhalb
     der Ökonomie liegender Ereignisse zwischen Angebot und Nachfrage entstanden war. Er liefert, sagen wir mal, bestimmte Waren,
     die sich einer großen Nachfrage erfreuen   ...«
    »Er führt ein Wanderhurenhaus«, Samson Honig fiel ihm, scharfsinnig wie immer, ins Wort, »oder eine Spielhölle. Oder beides
     zusammen.«
    »So ist es. Im hussitischen Heer werden die Statuten, die Žižka erlassen hat, strikt eingehalten. Saufen, Glücksspiel und
     Ausschweifungen sind beim Heer verboten, darauf stehen harte Strafen, bis hin zum Aufknüpfen. Aber wie’s eben so geht bei
     der Soldateska: In den Feldlagern will man saufen, Karten spielen und sich mit Huren vergnügen. Und das gibt’s nicht, das
     darf man nicht. Niemand darf das. Žižkas Statuten sind geradezu ekelhaft demokratisch, alle werden bestraft, ohne Rücksicht
     auf Stand oder Rang. Dies hat aber auch seine guten Seiten: Die Kampfeskraft erschlafft nicht und wird auch nicht gemindert.
     Die Hauptleute verstehen das, sie loben die Statuten und befolgen sie streng und erbarmungslos. Der Schein muss schließlich
     gewahrt werden   ... Der Hellebardenträger, der Fußknecht mit seinem Dreschflegel, der Bogenschütze, der Wagenlenker schon, die kriegen für
     Hurerei oder Diebstahl die Peitsche oder den Strick, das ist nur gerecht, das wirkt sich gut auf die Moral aus. Aber der Hauptmann
     oder der Führer einer Hundertschaft   ...«
    »Wir sind also«, fasste Reynevan zusammen, »kurz und gut, an einen Ort der Illegalität gekommen, der der Befriedigung der
     ungesetzlichen Wünsche der höheren Dienstgrade dient. Wie hoch ist das Risiko, das wir eingehen?«
    »Hunzleder arbeitet getarnt als Armeelieferant und lässt nur Offiziere vor, denen er vertrauen kann. Trotzdem wird ihn |208| irgendwann einer verraten, und dann wird er aufgeknüpft. Und vielleicht werden dann zur Abschreckung auch ein paar von denen
     aufgeknüpft, die sie bei ihm erwischen   ... Aber, zum einen, was ist das Leben ohne Risiko? Zum anderen, falls es dazu kommen sollte, werden uns Prokop und Filou
     schon heraushauen. Das denke ich jedenfalls.«
    Sollte in seiner Stimme, kaum hörbar, ein wenig Angst mitgeschwungen haben, dann unterdrückte der Demerit diese sofort.
    »Und dann«, brummte er, »haben wir hier schließlich etwas zu erledigen.«
    Vor der Schenke bellte der Hund sie abermals an, trollte sich aber sofort wieder. Sie stiegen von den Pferden.
    »Die Regeln, nach denen das Geschäft funktioniert, muss ich euch wohl nicht erklären.« Scharley schlang die Zügel um einen
     Pfahl. »Dies ist ein Ort ungesunder und verbotener Freuden. Hier kann man sich zu Tode saufen. Man kann nackte Frauenzimmer
     betrachten und auch der käuflichen Liebe frönen. Man kann sich dem verbotenen, rücksichtslosen Glücksspiel hingeben. Bei allem,
     was man tut und sagt, empfiehlt sich aber größte Vorsicht. Außerdem,

Weitere Kostenlose Bücher