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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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wissen, wie sich auf einem präparierten Würfel plötzlich die
     Eins statt der Sechs zeigen kann. Das würde ich gerne lernen, gegen Entgelt, versteht sich. Ich verstehe schon, dass das ein
     Zauber ist, aber ließe sich das machen? Oder braucht man dazu, um so etwas zu bewerkstelligen, eine besondere Macht? Wie ist
     das, da bin ich neugierig.«
    »Eine große!« Reynevan, der bis dahin nur zugehört hatte, ließ jetzt seinen Gefühlen freien Lauf. »Eine gewaltige! Unvorstellbare!
     Solch eine, dass ich wirklich überlege, ob es Sinn macht   ...«
    »Beherrsche dich!«, befahl Scharley ihm in harschem Ton, um ihn zum Schweigen zu bringen. »Du redest zu viel!«
    |230| »Ich rede, was und wann ich will!«
    »Ich sehe schon«, Berengar Tauler lachte, »dass ihr euch, was diesen Vorfall anbelangt, uneinig seid. Dass es deswegen fast
     zu einem Familienstreit kommt. Und da Bata und ich nicht zur Familie gehören, gehen wir ein Stück beiseite. Wenn ihr euch
     alles gesagt habt, dann ruft uns. Und dann werden wir besprechen, wie es weitergeht.«
    Als sie allein waren, schwiegen sie lange Zeit. Reynevan spürte, wie sein Zorn schwand. Aber er wusste nicht, wie und womit
     er beginnen sollte. Auf Scharley konnte er nicht zählen, in solchen Situationen ergriff dieser nie als Erster das Wort. Die
     Pferde schnaubten.
    »In der Spielhölle«, ließ sich schließlich Samson Honig vernehmen, »geschah das, was geschehen musste. Das war unausweichlich.
     Das musste geschehen, weil   ... es geschehen musste. Nichts anderes kam infrage, ein anderer Verlauf der Ereignisse war nicht möglich. Denn ein anderer,
     entgegengesetzter Verlauf hätte Gleichgültigkeit vorausgesetzt. Einverständnis. Zustimmung. Hinnehmen. Das, was wir in der
     Spielhölle gesehen haben, wovon wir Zeuge geworden sind, schließt Gleichgültigkeit und Untätigkeit aus, daher gab es wirklich
     keine andere Möglichkeit. Es geschah, was geschehen musste. Und die Würfel   ... Nun, die Würfel, ganz allgemein gesagt, richten sich, wenn sie fallen, nach ähnlichen Gesetzen. Sie fallen so, wie sie
     fallen müssen.«
    Reynevan hörte, wie das vor Samson im Sattel sitzende Mädchen leise aufseufzte.
    »Und im Prinzip habe ich nichts mehr hinzuzufügen«, stellte Samson fest. »Wollt ihr etwas fragen   ... Reinmar? Vor einer Weile schien es mir, als beschäftige dich etwas.«
    »Ein Gedanke«, gab Reynevan zu und wunderte sich selbst über seine Gelassenheit. »Nur ein Gedanke. Ein ganzes Jahr haben die
     Prager Magier sich bemüht, dir zu helfen, dir die Rückkehr in deine eigentliche Gestalt, in deine Welt, dein Element, deine
     Dimension oder was auch immer zu ermöglichen. Es ist |231| ihnen nicht gelungen. Jetzt haben wir eine ziemlich riskante Fahrt durch Böhmen vor uns, wir reisen in die Gegend von Jitschin
     und Turnau, fast bis an die Lausitzer Grenze. Weil wir dir helfen wollen. Aber das, was ich heute gesehen habe, drängt mich
     zu der Frage: Brauchst du überhaupt irgendwelche und wie auch immer geartete Hilfe, Samson? Brauchst du, der du in der Lage
     bist, das Schicksal durch Würfel zu beeinflussen, überhaupt die Hilfe von gewöhnlichen Leuten, die nicht sehr viel vermögen?
     Brauchst du unsere Hilfe? Liegt dir daran?«
    »Ich brauche sie«, antwortete der Riese sogleich, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, »und mir liegt daran.«
    »Aber«, setzte er nach einem Moment sehr leise und weich hinzu, »aber das wisst ihr beide doch selbst.« Das Mädchen Marketka
     seufzte wieder.
    »Na schön.« Nun griff Scharley wieder ein. »Was geschehen ist, ist geschehen. Wie du weißt, Samson, bin ich weit entfernt
     von deinem Fatalismus. Meiner Auffassung nach kann man dem Unausweichlichen leicht entgehen, es genügt ganz einfach, sich
     nicht der Gefahr auszusetzen, es tun zu müssen. Ähnlich verhält es sich mit dem, was man nicht gleichgültig mit ansehen kann   ... es genügt, wenn man nicht hinsieht. Umso mehr, da Unausweichliches und Gleichgültigkeit in dieser Welt eher die Regel
     als die Ausnahme sind. Aber es ist nun mal geschehen und lässt sich, wie ich annehme, nicht ungeschehen machen. Wir haben
     ein gutes Werk getan, und dafür werden wir bezahlen, denn für seine Dummheiten muss man immer bezahlen. Bevor dies allerdings
     der Fall ist, schlage ich Folgendes vor: Das Mädchen muss irgendwohin in Sicherheit gebracht werden   ...«
    »Ich bringe sie nach Prag«, erklärte Samson, »zu Frau Pospichalova.«
    Marketka zappelte

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