Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gotteszahl

Gotteszahl

Titel: Gotteszahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
Vom Netzwerk:
natürlich auch um andere handeln«, sagte Inger Johanne. »Um eine andere Organisation. Oder um Trittbrettfahrer. Oder  … «
    »Hör mal zu«, sagte die Hauptkommissarin. »Jetzt hörst du mir mal gut zu.«
    Sie stützte die Ellbogen auf den Tisch und legte die Handflächen aneinander. »Du hast einen guten Ruf, Inger Johanne. Vielen hier im Haus ist klar, was du für die Kripo geleistet hast, ohne Dank und Ehre einzuheimsen. Mir bist du vor allem aufgefallen, als die Kripo vor einigen Jahren die Sache mit den ermordeten Kindern aufgeklärt hat. Dass dein Einsatz jedenfalls dem einen entführten Mädchen das Leben gerettet hat, das ist in unseren Kreisen kein Geheimnis.«
    Inger Johanne starrte sie ausdruckslos an. Sie begriff nicht, worauf die Hauptkommissarin hinauswollte.
    »Aber angeblich bist du ziemlich …«
    Sie setzte sich gerade und kniff die Lider zusammen, dann hatte sie ein Wort gefunden, das ihr gefiel: »Widerwillig«, sagte sie. »Weißt du, wie du bei der Kripo genannt wirst?«
    Inger Johanne hielt die Flasche an den Mund und trank. Lange.
    » The reluctant detective. «
    Siljes Lachen war herzlich, warm und ansteckend.
    Inger Johanne lächelte und schraubte den Verschluss auf die Flasche. »Das wusste ich nicht«, sagte sie ehrlich. »Yngvar hat es nie erwähnt.«
    »Vielleicht weiß er es nicht. Mir geht es jedenfalls darum, dass du jetzt hier sitzt und zeigst, dass du diesen Spitznamen absolut verdient hast. Zuerst lancierst du eine Theorie, die aus einem amerikanischen Horrorfilm stammen könnte, dann versuchst du, vor der Idee wegzulaufen, wenn ich dir erzähle, dass sie durchaus zutreffen kann. Und dann muss ich doch …«
    Laute Rufe auf dem Gang. Eine Männerstimme brüllte, eilige Schritte folgten dem Geheul einer Frau. Inger Johanne starrte entsetzt auf die geschlossene Tür.
    »Da versucht jemand abzuhauen«, sagte Silje ruhig. »Aber das schafft keiner.«
    »Sollten wir nicht helfen?«
    »Du und ich? Glaub ich nicht.«
    Jemand hatte den Ausbrecher offenbar ruhiggestellt, denn es kehrte wieder Stille ein. Inger Johanne zupfte an ihrem Pulloverbund herum, dann fiel ihr Blick auf einen Kalender, der hinter Silje hing. Ein roter magnetischer Kreis zog sich um Donnerstag, den 15. Januar.
    »Unabhängig von meiner Theorie«, sagte Inger Johanne, »ist es eine Tatsache, dass wir im November und Dezember insgesamt sechs Morde mit … irgendeinem homosexuellen Bezug hatten, so müssen wir das wohl nennen. 19., 24. und 27. November. Dieselben Tage im Dezember. Heute schreiben wir den 15. Januar.«
    Noch immer haftete ihr Blick an dem roten Ring. Als sie blinzelte, hatte der sich wie ein grünes O auf ihrer Netzhaut eingeprägt.
    »Ja«, sagte Silje Sørensen. »In vier Tagen ist der 19. Januar. Wir haben möglicherweise nicht mehr viel Zeit.«
    Auf diesen Gedanken war Inger Johanne noch nicht gekommen. Ihre Arme überzogen sich mit Gänsehaut, und sie streifte die Ärmel nach unten. »Habt ihr irgendeine Spur? Yngvar macht jedenfalls den Eindruck, als ob sie drüben in Bergen feststeckten.«
    Silje Sørensen schob die Unterlippe vor und bewegte den Kopf leicht hin und her, als wüsste sie nicht so recht, ob sie das, was sie jetzt suchte, eine Spur nennen könnte. Sie zog drei Schubladen auf, ehe sie die richtige erwischte, und nahm einen Stapel Zeichnungen heraus. Die Schublade knallte zu, als Silje dann aufstand und zu der leeren Pinnwand hinüberging. »Wir haben das hier«, sagte sie. »Phantomzeichnungen des Mannes, der von Hawre Ghani Sex kaufen wollte, als der zuletzt lebend gesehen worden ist.«
    Sie befestigte die Zeichnungen mit knallroten Heftzwecken an der Pinnwand. Inger Johanne erhob sich und wartete, bis alle vier Blätter dort hingen. Ein Ganzkörperbild, ein Gesicht von vorn, eins von der Seite und eine seltsame Zeichnung von etwas, was wie ein Revers mit einem Anstecker aussah.
    »Ist alles in Ordnung?«
    Siljes Stimme schien von weit, weit her zu kommen.
    »Inger Johanne!«
    Jemand packte ihren Arm. Ihr Kopf fühlte sich so leicht an, als könnte er sich losreißen und wie ein Heliumballon zur Decke steigen, wenn sie sich nicht zusammenriss.
    »Setz dich! Setz dich, um Himmels willen!«
    »Nein. Ich will hier stehen!«
    Sogar ihre eigene Stimme wirkte fremd.
    »Hast du … Weißt du, wer das ist, Inger Johanne?«
    »Von wem ist das Bild?«
    »Von unserem festen Zeichner, er heißt …«
    »Nein, das meine ich nicht. Welcher Zeuge hat den Mann beschrieben?«
    »Ein

Weitere Kostenlose Bücher