Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
zur offenen Tapferkeit geneigt, da er, in Vergleich mit anderen Thieren, seine eigene körperliche Schwäche fühlt. Diese sind mit natürlichen Vertheidigungswaffen begabt: mit Hörnern, mit starkem Gebiß, mit Hufen, mit Krallen; aber der Mensch muß sich auf seinen überwiegenden Scharfsinn verlassen. In allen seinen Kämpfen mit jenen, seinen eigentlichen Feinden, nimmt er zur List seine Zuflucht; und wenn er thörichter Weise seine Angriffe gegen seine Mitmenschen richtet, so bedient er sich Anfangs eben dieser listigen Art, den Krieg zu führen.
Der natürliche Grundsatz im Kriege ist, unsern Feinden so viel Schaden als möglich, mit so wenigem Schaden als möglich für uns selbst, zuzufügen; und dieß muß natürlich durch Kriegslist erreicht werden. Jener ritterliche Muth, welcher uns antreibt, die Eingebungen der Klugheit zu verachten, und uns in die gewisse Gefahr zu stürzen, ist die Frucht der bürgerlichen Gesellschaft und ein Ergebniß der Erziehung. Er ist ehrenvoll, weil er in der That der Triumph des erhabenen Gefühls über eine angeborne Furcht vor dem Schmerze, über dieses Hinneigen zu persönlicher Behaglichkeit und Sicherheit ist, welches beides die bürgerliche Gesellschaft als schimpflich verdammt hat. Er wird durch den Stolz und die Furcht vor der Schande aufrecht erhalten; und besteht fort, weil so die Besorgniß vor einem wirklichen Uebel, durch die mächtigere Furcht vor einem Uebel, welches nur in der Einbildungskraft vorhanden ist, überwunden wird. Man hat ihn durch verschiedene Mittel zu nähren und anzufeuern gesucht. Er ist der Gegenstand geisterregender Gesänge und ritterlicher Geschichten geworden. Der Dichter und Barde haben gewetteifert, ihn mit dem Glanze der Dichtung zu umgeben; und selbst der Geschichtschreiber hat die besonnene Würde der Darstellung vergessen, und sich in seinem Preise der Begeisterung und Aufwallung überlassen. Triumphe und prachtvolle Ehrenbezeugungen sind sein Lohn geworden; Denkmale, an denen die Kunst ihre Geschicklichkeit und der Reichthum seine Schätze erschöpft hat, sind errichtet worden, um die Dankbarkeit und Bewunderung eines Volkes zu verewigen. Auf diese Art künstlich erregt, hat sich der Muth zu einem außerordentlichen, gebildeten Heldenmuth erhoben, und in all den glanzvollen »Prunk und Zubehör des Krieges« gekleidet, ist es dieser unruhevollen Eigenschaft sogar gelungen, mehrere von jenen ruhigen, aber unschätzbaren Tugenden zu verdunkeln, welche stillschweigend den menschlichen Charakter veredeln und den Strom des menschlichen Glücks schwellen.
Aber wenn der Muth wesentlich in Verachtung der Gefahr und des Schmerzes besteht, so ist das Leben des Indianers eine beständige Entfaltung desselben. Er lebt in einem Zustande immerwährender Feindseligkeit und Gefahr. Wagnisse und Abenteuer stimmen mit seiner Natur überein, oder scheinen vielmehr nothwendig, um seine Fähigkeiten aufzuregen und seinem Dasein ein Interesse zu geben. Von feindlichen Stämmen umgeben, deren Kriegsführung aus Hinterhalt und Ueberfall besteht, ist er immer zum Gefechte bereit, und lebt mit den Waffen in der Hand. Wie das Schiff in furchtbarer Einsamkeit durch die Einöden des Oceans dahinfährt, – wie der Vogel in den Wolken und Stürmen schwebt, und, als ein bloßer Punkt, seinen Weg durch die pfadlosen Gefilde der Luft verfolgt, – so verfolgt auch der Indianer schweigend, einsam, aber unerschrocken, seinen Weg durch die unermeßlichen Tiefen der Wildniß. Seine Unternehmungen mögen an Ausdehnung und Gefahr der Pilgerfahrt des Frommen oder dem Kreuzzug des irrenden Ritters gleich kommen. Er durchstreift große Wälder, den Gefahren einsam ihn befallender Krankheit, lauernder Feinde und quälenden Hungers ausgesetzt. Stürmische Seen, diese großen, im Innern des Landes befindlichen Meere, sind kein Hinderniß für seine Wanderungen; in seinem leichten Canoe schwimmt er, wie eine Feder, auf ihren Wellen dahin, und stürzt, mit der Schnelligkeit eines Pfeiles, die brausenden Fälle der Flüsse hinab. Seinen Unterhalt selbst muß er sich mitten unter Mühen und Gefahren erraffen. Er erlangt seine Nahrung nur durch die Anstrengungen und Gefahren der Jagd; er hüllt sich in die Häute des Bären, des Panthers und des Büffels, und schläft unter dem Donner des Wasserfalls.
Kein Held älterer oder neuerer Zeit übertrifft den Indianer in seiner hochherzigen Verachtung des Todes, und in der Stärke, womit er dessen grausamste Pein erduldet. In der That,
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