Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
gesellschaftliche Vereinigung und jedes Familienfest, und schleicht brummend nach dem Bierhause, sobald eine Equipage zu dem Thor herauf fährt. Obgleich er sich fortwährend darüber beklagt, daß seine Börse leer sei, ermangelt er doch nicht, all sein Geld bei den Zusammenkünften in der Schenke wegzuwerfen, und läßt sehr oft die Zeche für das Getränke anschreiben, bei dem er über seines Vaters Verschwendung predigt.
Man kann sich leicht denken, wie wenig ein solches Betragen sich mit des alten Ritters hitzigem Temperamente verträgt. Er ist durch häufigen Widerspruch so reizbar geworden, daß die bloße Erwähnung von Einschränkung oder Reform das Zeichen zu einem Zanke zwischen ihm und dem Schenken-Orakel abgibt. Da der Letztere zu hartnäckig und widerspenstig ist, sich der väterlichen Zucht zu fügen, und vor dem Prügel keine Furcht mehr hat, so kommt es sehr oft zu Wortkriegen, welche so arg werden, daß John am Ende seinen Sohn Thom zu Hülfe ruft, einen Offizier, der im Auslande gedient hat, aber jetzt auf halbem Solde zu Hause ist. Dieser Letztere steht dem alten Herrn, er mag nun Recht oder Unrecht haben, gewiß bei; er liebt nichts mehr als ein lärmendes und zänkisches Leben; und ist auf einen einzigen Wink bereit, mit dem Säbel herauszufahren, und ihn über dem Haupte des Redners zu schwingen, sobald dieser sich gegen das väterliche Ansehen aufzulehnen wagt.
Diese Familienzwistigkeiten sind, wie gewöhnlich, außer dem Hause bekannt geworden – und geben John’s Nachbarschaft seltenen Stoff zu Glossen. Die Leute machen ernsthafte Gesichter und schütteln die Köpfe, sobald von seinen Angelegenheiten die Rede ist. Sie sagen, sie alle hofften, es würde nicht so schlecht mit ihm stehen, als man behaupte; wenn aber die Kinder über des Vaters Verschwendung zu klagen anfingen, müsse es doch nicht so ganz gut stehen. Er solle dem Gerüchte nach bis über die Ohren in Schulden stecken, und beständig mit Wucherern sein Wesen treiben. Er sei ohne Frage ein großmüthiger alter Herr, aber man fürchte, er habe etwas zu schnell gelebt; in der That brächte eine solche Neigung zur Jagd, zu Pferderennen, Schwelgen und Bor[g]en nie etwas Gutes. Kurz, Herrn Bull’s Gut sei sehr schön, und die Familie habe es seit alten Zeiten besessen; aber man hätte manche noch schönere Güter gekannt, welche öffentlich ausgeboten worden seien. Das schlimmste von allem ist die Wirkung, welche alle diese Geldangelegenheiten und dieser häusliche Verdruß auf den armen Mann selbst gehabt haben.
Statt seines stattlichen runden Bauches und seines frischen rosigen Gesichts ist er in der letzten Zeit zusammengeschrumpft und welk geworden, wie ein erfrorner Apfel. Seine scharlachne mit Gold besetzte Weste, welche ihm in jenen glücklichen Tagen, wo er mit dem Winde segelte, so straff saß, hängt nun wie ein Segel bei Windstille, lose um ihn. Seine ledernen Beinkleider sind voll Falten und Runzeln und scheinen mit Mühe nur die Stiefeln herauf zu halten, welche auf beiden Seiten um seine einst so derben Beine schlottern.
Statt, wie früher umherzuwandeln, den Hut auf die eine Seite gesetzt; seinen Stock schwingend und alle Augenblicke auf die Steine stoßend; Jedem gerade in das Gesicht sehend und eine Strophe aus einem Canon oder einem Trinkliede herbrummend; schleicht er nun umher, pfeift gedankenvoll vor sich hin, läßt den Kopf hängen, hält den Stock unter dem Arm und steckt die Hände bis auf den Boden seiner Hosentaschen, die augenscheinlich leer sind.
So sieht der ehrliche John Bull gegenwärtig aus; bei all dem ist aber der Geist des alten Herrn noch so stolz und muthig wie jemals. Sobald ihr euch nur den geringsten Ausdruck entschlüpfen laßt, der Mitleid oder Besorgniß verräth, fängt er Feuer, betheuert, daß er der reichste und solideste Mann im Lande sei, spricht von großen Summen, die er anwenden wolle, um sein Haus zu verschönern oder ein anderes Grundstück zu kaufen, und mit einer drohenden Stellung und einer Bewegung mit seinem Prügel scheint er gern noch einmal anbinden zu wollen.
Obgleich in allem diesen vielleicht etwas sehr Sonderbares liegt, so muß ich doch gestehen, daß ich John’s Lage nicht ohne ein besonderes Gefühl von Antheil betrachten kann. Bei all seinen seltsamen Launen und seinen eingewurzelten Vorurtheilen, ist er doch ein gerader, tüchtiger alter Degen. Er mag vielleicht nicht ganz der außerordentliche Mensch sein, für den er sich hält, aber er ist wenigstens
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