Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
Untersuchungen einfindet.
Von Zeit zu Zeit schrieb einer dieser Leute etwas auf einen schmalen Streifen Papier, und zog eine Glocke, worauf ein Dienender erschien, das Papier in tiefem Schweigen nahm, aus dem Zimmer glitt, und kurz darauf mit gewichtigen Bänden erschien, über welche der Andere mit ungestümer Wißbegier herfiel. Ich hatte keinen Zweifel mehr, daß ich unter einen Haufen von Zauberern, welche in das Studium geheimer Wissenschaften tief versunken wären, gerathen sei. Die Scene erinnerte mich an ein altes arabisches Mährchen von einem Philosophen, der in einer bezauberten Bibliothek im Schooße eines Berges eingeschlossen war, welche nur einmal im Jahre geöffnet wurde; und wo die Geister des Ortes seinen Befehlen gehorchen, und ihm Bücher aller Arten verborgenen Wissens bringen mußten, so daß er, am Ende des Jahres, als das Zauberthor sich wieder aus seinen Angeln bewegte, so erfahren in den verbotenen Künsten herauskam, daß er über die Häupter der Menge hinwegflog, und über die Kräfte der Natur gebieten konnte.
Da meine Neugierde nun im höchsten Grade gespannt war, flüsterte ich einem der Dienenden, als er im Begriff war, aus dem Zimmer zu gehen, die Bitte zu, er möge mir doch eine Erklärung des sonderbaren Anblicks geben. Einige wenige Worte waren hinreichend. Ich fand, daß diese geheimnißvollen Leute, die ich für Zauberer gehalten, meistentheils Schriftsteller, und eben im Begriffe waren, ihren Honigstoff aus den Blumen zu saugen. Ich war nämlich in dem Lesezimmer der großen britischen Bibliothek – einer unermeßlichen Sammlung von Büchern aller Zeitalter und Sprachen, von denen viele schon ganz vergessen sind, und die meisten selten gelesen werden. Zu diesen einsamen Teichen verschollener Literatur nehmen daher manche neuere Schriftsteller ihre Zuflucht, und schöpfen Eimer voll klassischer Gelehrsamkeit, oder »reines, unverdorbenes Englisch,« womit sie ihre eigenen, spärlichen Gedankenbäche anschwellen.
Da ich jetzt im Besitze des Geheimnisses war, setzte ich mich in eine Ecke nieder und beobachtete das Verfahren in dieser Buch-Manufactur. Ich bemerkte einen magern, gelbsüchtig aussehenden Wicht, der nur die wurmstichigsten, mit gothischen Lettern gedruckten Bände zur Hand nahm. Er trug augenscheinlich irgend ein Werk von tiefer Gelehrsamkeit zusammen, das Jedermann, der für einen Gelehrten gelten wollte, sich anschaffen und auf ein in die Augen fallendes Bücherbret in seiner Bibliothek stellen, oder aufgeschlagen auf dem Tische haben mußte, – übrigens aber nie zu lesen brauchte. Ich sah, wie er von Zeit zu Zeit ein großes Stück Zwieback aus der Tasche nahm, und daran nagte; ob dieß aber sein Mittagsessen war, oder ob er dadurch nur der Erschöpfung des Magens begegnen wollte, welche durch das viele Brüten über trockenen Werken herbeigeführt ward, überlasse ich eifrigeren Studirenden, als ich es bin, zu bestimmen.
Dort saß ein behender kleiner Mann in hellfarbigem Kleide, mit einem zimperigen klätschigen Ausdruck des Gesichts, welcher ganz das Ansehen eines Schriftstellers hatte, der auf gutem Fuße mit seinem Buchhändler steht. Nachdem ich ihn aufmerksam betrachtet, erkannte ich einen fleißigen Sammler von vermischten Werken, welche im Handel ihr Glück machten. Ich war neugierig, zu sehen, wie er seine Waare verfertige. Er machte mehr Geräusch und zeigte sich geschäftiger, als alle Andern, guckte in verschiedene Bücher, durchflog die Blätter der Handschriften, und nahm bald ein Stück aus diesem, bald ein Stück aus jenem, »Zeile vor Zeile, Kunde auf Kunde, hier ein wenig und da ein wenig.« Der Inhalt seines Buches schien so mannichfaltig, als der des Hexen-Kessels in Macbeth. Es war ein Finger hier. dort ein Daum, Froscheszeh und Blindschleich-Stachel, nebst seinem eigenen Geschwätz, das war wie »Affenblut,« um die Brühe zu machen, »dick und gut.«
Ist nicht genau genommen, dachte ich bei mir selbst, diese Neigung zum Stehlen am Ende den Schriftstellern weiser Zwecke wegen eingepflanzt? Mag sie nicht der Weg sein, den die Vorsicht wählte, um die Saaten der Erkenntniß und der Weisheit von Jahrhundert zu Jahrhunderten, trotz dem unabwendbaren Untergange der Werke, in welchen er zuerst aufkeimte, zu verbreiten? Wir sehen, daß die Natur weise, obgleich sonderbar, für die Verbreitung des Samens von Klima zu Klima, mittelst der Schnäbel gewisser Vögel, gesorgt hat; so daß Thiere, welche an und für sich nicht viel besser als Aas,
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