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Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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mit seiner Beute aus mehreren dunkeln philosophischen Abhandlungen wacker ausgestopft, so daß er sich von vorn sehr stattlich ausnahm; aber von hinten war er jämmerlich zerlumpt, und ich bemerkte, daß er seine Beinkleider mit Pergamentfetzen aus einem lateinischen Schriftsteller geflickt hatte.
    Es waren einige wohlgekleidete Herren da, die sich nur zu einem einzelnen Edelstein oder dergleichen verhalfen, der unter ihrem eigenen Schmuck glänzte, ohne diesen zu verdunkeln. Einige schienen auch die Trachten der alten Schriftsteller nur deßwegen zu betrachten, um sich ihre Geschmacksgrundsätze anzueignen, und die Art und den Geist derselben anzunehmen; aber ich muß leider sagen, daß es nur zu Viele gab, die sich vom Kopfe bis zu den Füßen, auf die eben beschriebene Art Flickwerk-Weiße schmückten. Ich muß hier eines Genies, in gelblichbraunen Beinkleidern und Gamaschen, mit einem arkadischen Hute, erwähnen, das eine gewaltige Neigung zum Schäferlichen hegte, dessen ländliche Wanderungen sich aber auf die klassischen Orte von Primrose-Hill und die Einsamkeit des Regenten-Parks [Fußnote: Primrose-Hill, der Primelen-Hügel ist der höchste Punkt nordwestlich von London, und der Regenten-Park (
Regent’s Park
), eine große parkartige Anlage, am nordwestlichen Ende der Stadt, welche durch die prächtige Portland-Street mit der Stadt in unmittelbarer Verbindung steht.] beschränkten. Es hatte sich mit Kränzen und Bändern aus allen alten Schäferdichtern geschmückt, ließ den Kopf auf eine Seite hängen, und ging mit einer phantastischen Maienblumen-Miene umher, »von grünen Feldern schwatzend.« Die Person aber, welche meine Aufmerksamkeit am meisten erregte, war ein geschäftiger, alter Herr, in geistlicher Tracht, mit einem auffallend großen und viereckigen, aber kahlen Kopfe. Er trat schnaufend und keuchend in das Zimmer, suchte seinen Weg mit den Ellbogen durch die Menge, mit einem Gesicht voll trotziger Selbstgenügsamkeit, und nachdem er sich eines dicken griechischen Quartanten bemächtigt hatte, setzte er ihn auf seinen Kopf, und ging nun majestätisch mit einer furchtbar gekräuselten Perücke hinweg.
    Mitten in dieser literarischen Maskerade erscholl plötzlich von allen Seiten das Geschrei: »Diebe, Diebe!« Ich sah auf, und siehe, die Portraits an den Wänden bekamen Leben! Die alten Schriftsteller reckten zuerst einen Kopf, dann eine Schulter aus der Leinwand hervor, blickten einen Augenblick neugierig nieder auf die bunte Menge, und stiegen dann, mit Wuth in ihren Augen, herab, ihr geplündertes Eigenthum in Anspruch zu nehmen. Die Scene des Gewirrs und Getümmels, welche folgte, übersteigt alle Beschreibung. Die unglücklichen Verbrecher suchten vergebens, mit ihrem Raube zu entschlüpfen. Auf der einen Seite sah man ein halbes Dutzend alter Mönche einen neueren Professor entkleiden, auf der andern erging eine gewaltige Verheerung über die Reihen neuerer dramatischer Schriftsteller. Beaumont und Fletcher stürmten, einander zur Seite, wie Castor und Pollux, auf dem Kampfplatze daher, und der gewaltige Ben Jonson that noch mehr Wunder, als damals, wo er als Freiwilliger bei dem Heere in Flandern diente. Was den flinken kleinen Zusammenträger von literarischem Gemengsel betraf, dessen ich vorhin erwähnt habe, so hatte er sich, wie Harlekin, in die mannichfaltigsten Flicken und Farben gekleidet, und es entspann sich um ihn ein ebenso heftiger Streit, wie einst um die Leiche des Patroklus. Es betrübte mich ungemein, mehrere Leute, die ich mit ehrerbietiger Scheu und Achtung zu betrachten gewöhnt war, sich hinwegstehlen zu sehen, ohne kaum einen Lumpen zu haben ihre Blöße zu bedecken. Gerade da fiel mein Blick auf den geschäftigen alten Herrn in der griechischen grauen Perücke, der sich höchst erschrocken davon machte, in Gefolge eines halben Dutzends von Schriftstellern, welche laut hinter ihm her schrieen. Sie waren ihm dicht auf der Ferse; in einem Nu war seine Perücke fort; wie er sich wandte, schälten sie ihm einen Streifen seiner Kleidung ab; bis er nach wenigen Minuten aus seinem herrischen Prunke zu einer kleinen, winzigen »abgeschnittenen kahlen Bluese« zusammenschrumpfte, und nur mit wenigen Lumpen und Lappen, die um seinen Rücken flogen, abzog.
    Es lag etwas so belustigendes in dem Unfalle dieses gelehrten Thebaners, daß ich in ein unmäßiges Gelächter ausbrach, welches die ganze Täuschung zerstörte. Das Getümmel und Gezause war zu Ende. Das Zimmer nahm sein

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