Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
Grundsatz des gewöhnlichen Menschenlebens sich gegen ihn erklärte, als sein Glücksstern unterging und Schmach und Gefahr seinen Namen umdunkelten, liebte sie ihn um seiner Leiden willen nur glühender. Als sein Schicksal dann selbst das Mitgefühl seiner Feinde rege machte, wie groß mußte ihre Angst sein, sie, deren ganze Seele von seinem Bilde erfüllt war! Laßt die sprechen, welche durch die Thore des Grabes sich plötzlich von dem abgeschlossen sehen, was sie auf Erden am meisten geliebt, welche an der Schwelle desselben gesessen haben, – wie Jemand, der allein in einer kalten und einsamen Welt zurückbleibt, aus der Alles, was ihm das lieblichste und liebevollste war, geschieden ist.
Aber dann die Schrecken eines solchen Grabes! so furchtbar, so ehrlos! Dem Andenken blieb hier nichts, wobei es verweilen und das die Bitterkeit der Trennung mildern konnte – keiner jener zärtlichen, wenn gleich traurigen Umstände, welche die Scene des Scheidens so unvergeßlich machen; – nichts, was den Schmerz in jene seligen Thränen hätte auflösen können, welche wie der Thau des Himmels gesendet werden, um das Herz in der qualvollen Scheidestunde wieder zu beleben.
Um ihre verwaisete Lage noch trauriger zu machen, mußte ihre unglückliche Liebe das Mißfallen ihres Vaters erregen, und sie zwingen, das väterliche Haus zu meiden. Hätte jedoch der Antheil und die hülfreichen Dienste von Freunden auf ein Gemüth Eindruck machen können, das der Schrecken so betäubt und in sich geschlossen hatte, so würd’ es ihr nicht an Trost gefehlt haben; denn die Irländer sind ein Volk von lebendigem, großartigem Gefühle. Die zarteste und liebevollste Aufmerksamkeit wurde ihr von reichen und angesehenen Familien erwiesen. Man brachte sie in Gesellschaft und suchte durch alle mögliche Arten von Unterhaltungen und Vergnügungen ihren Kummer zu zerstreuen und sie von der traurigen Geschichte ihrer Liebe abzuziehen. Aber es war Alles vergebens. Es gibt Unglücksfälle, welche die Seele ganz niederschmettern und zernichten – welche das Glück in seinem innersten Wesen ergreifen – und es verletzen, daß es nimmer wieder Knospen oder Blüthen treiben kann. Sie weigerte sich nie, Vergnügungsörter zu besuchen, aber sie war dort eben so allein, als in der tiefsten Einsamkeit. Sie ging in trübem Nachdenken umher, anscheinend der Welt um sie her ganz unbewußt. Sie trug ein inneres Wehe, welches aller Schmeicheleien der Freundschaft spottete, und »achtete nicht des Sanges des Zauberers, zauberte er auch noch so kunstreich.«
Der, welcher mir ihre Geschichte erzählte, hatte sie auf einer Maskerade gesehen. Es kann wohl weitgediehenes Unglück sich nicht auffallender und betrübender darstellen, als wenn man ihm an einem solchen Orte begegnet. Es gleich einem Gespenst, einsam und freudenlos, umherwandeln zu sehen, wo Alles froh ist – es in die Gewänder der Freude gekleidet zu sehen, und so bleich und wehevoll aussehend, als ob es umsonst versucht hätte, das arme Herz auf einen Augenblick seinen Kummer vergessen zu lassen. Nachdem sie durch die glänzenden Säle und durch das bunte Gewühl mit einer Miene gänzlicher Abwesenheit gewandelt war, setzte sie sich auf die unterste Stufe eines der Orchester, blickte eine Zeitlang mit leerem Blicke umher, welcher ihre Theilnahmlosigkeit an dem muntern Gewühle zeigte, und begann mit der Launenhaftigkeit eines kranken Herzens, ein kleines klagendes Lied zu singen. Sie hatte eine vortreffliche Stimme; aber bei dieser Gelegenheit war sie so einfach, so rührend, sie athmete eine so kummererfüllte Seele, daß sie einen Kreis stummer und schweigender Zuhörer um sich versammelte, und jeden bis zu Thränen rührte.
Die Geschichte einer so treu und so zärtlich Liebenden mußte in einem Lande, das sich durch seine Begeisterung auszeichnet, große Theilnahme erregen. Sie gewann das Herz eines wackern Offiziers, der sich um das Mädchen bewarb, in der Ueberzeugung, daß, wer dem Todten so treu sei, auch dem Lebenden nur mit Liebe anhangen werde. Sie lehnte seine Aufmerksamkeiten ab, denn alle ihre Gedanken vereinigten sich unwiderbringlich in dem Andenken an ihren früheren Geliebten. Jener beharrte indessen bei seiner Bewerbung. Er forderte nicht ihre Zärtlichkeit, nur ihre Achtung. Er sah sich unterstützt durch ihre Ueberzeugung von seinem Werth, und durch das Gefühl ihrer bedürftigen, abhängigen Lage, denn sie lebte von der Güte ihrer Freunde. Mit einem Wort, er war am
Weitere Kostenlose Bücher