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Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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und dem Anscheine nach als geächtete Diebe im Garten und dem Kornfelde zu betrachten sind, in der That zu Boten der Natur werden, um deren Segnungen zu verbreiten und dauernd zu machen. Auf ähnliche Art werden die Schönheiten und guten Gedanken alter und verschollener Schriftsteller von diesen Zügen von Raubschriftstellern aufgelesen und wieder ausgestreut, um nach langer, später Zeit wieder zu blühen und Früchte zu tragen. Viele von ihren Werken machen auch eine Art von Seelenwanderung, und gehen in neuen Gestalten hervor. Was früher eine schwerfällige Geschichte war, lebt in der Gestalt eines Romans wieder auf– eine alte Legende verwandelt sich in ein neues Schauspiel – und eine nüchterne philosophische Abhandlung liefert den Stoff für eine ganze Reihe von hochtrabenden und sprudelnden »Versuchen.« So geht es auch mit dem Aushauen unserer Waldstrecken in Amerika, wo wir einen Forst von stattlichen Fichten abbrennen, nimmt ihre Stelle ein Geschlecht von Zwergeichen ein, und wir sehen nie den hingestreckten Stamm eines zu Staub vermodernden Baumes, der nicht ein ganzes Geschlecht von Schwämmen erzeugt.
    Laßt uns daher über den Verfall und die Vergessenheit, in welche alte Schriftsteller versinken, nicht klagen; sie gehorchen nur dem großen Gesetze der Natur, nach welchem alle unter dem Monde befindliche Gestalten ihrer Form nach in der Dauer beschränkt seien, ihren materiellen oder geistigen Bestandtheilen nach nie untergehen sollen. Geschlecht auf Geschlecht, sowohl im thierischen, als im Pflanzenleben, geht vorüber, allein das Lebensprincip dauert bis auf die Nachwelt, und die Gattung fährt fort, zu blühen. So erzeugen auch Schriftsteller andere Schriftsteller, und gehen, nachdem sie eine zahlreiche Nachkommenschaft hinterlassen haben, in einem gesetzten Alter heim zu ihren Vätern, an deren Geistesprodukten sie sich früher eines Plagiats schuldig gemacht.
    Während ich mich diesen Träumereien überließ, hatte ich mich mit dem Kopfe an einen Haufen ehrwürdiger Folianten gelehnt. Sei es nun, daß die aus diesen Werken entströmenden Dünste, oder die tiefe Stille im Zimmer, oder die von dem vielen Umherwandern herrührende Müdigkeit, oder eine unglückliche mir leider eigene Gewohnheit, Alles zu ungebührlichen Zeiten und an ungebührlichen Orten zu thun, so betäubend auf mich wirkten – kurz, ich schlief ein. Meine Einbildungskraft aber fuhr fort, geschäftig zu sein, und derselbe Schauplatz blieb, mit einiger Veränderung in den Einzelnheiten, vor den Augen meines Geistes. Ich träumte, daß das Zimmer noch mit den Bildern alter Schriftsteller behängt sei, daß aber die Anzahl sich vermehrt habe. Die langen Tische waren verschwunden, und statt der weisen Magier, sah ich einen zerlumpten, abgerissenen Haufen, wie man ihn in der Nähe des großen Magazins alter abgelegten Kleider, in Monmouth-Street, sich herumtreiben sieht. Sobald sie ein Buch in die Hand nahmen, so schien es mir, nach einem der Widersprüche, welche häufig Träume zu begleiten pflegen, daß es sich in ein Kleid von fremdem oder altväterischem Schnitte verwandelte, welches sie sogleich anlegten. Ich bemerkte jedoch, daß keiner sich in einen ganzen Anzug kleiden wollte, sondern von dem einen einen Aermel, von dem andern einen Kragen, von dem dritten einen Schooß nahm, sich so mit lauter Stückwerk schmückend, wobei einige von seinen ursprünglichen Lumpen unter seinem erborgten Putze hervorblickten.
    Es war da ein stattlicher, rosiger, wohlgenährter Pfarrer, den ich mehrere verschimmelte polemische Schriftsteller durch ein Augenglas betrachten sah. Er bemächtigte sich bald des faltenreichen Mantels eines der alten Kirchenväter, und, nachdem er einem andern seinen grauen Bart wegstipizt hatte, bemühte er sich überaus weise auszusehen; allein der grinsende Gemeinplatz in seinem Gesichte strafte alle den geborgten Schmuck der Weisheit Lügen. Ein kränklich aussehender Herr war beschäftigt, ein dünnes Gewand mit Goldfäden zu besetzen, die er aus mehreren alten Hofkleidern, von den Zeiten der Königin Elisabeth her, ausgezogen hatte. Ein Anderer hatte sich prächtig aus einer illuminirten Handschrift ausgeputzt, einen Blumenstrauß an seine Brust gesteckt, den er aus dem »Paradiese schöner Sinnsprüche« gepflückt, und schritt, nachdem er Sir Philipp Sidney’s Hut auf die eine Seite aufgesetzt, mit einer ausgesuchten Art von gemeiner Zierlichkeit umher. Ein Dritter, von nur winzigem Umfange, hatte sich

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