Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
gewöhnliches Ansehen wieder an. Die alten Schriftsteller traten in ihre Rahmen zurück, und hingen in düsterer Feierlichkeit an den Wänden. Kurz, ich fand mich wachend in meinem Winkel, vor der ganzen Versammlung von Bücherwürmern, die mich mit Verwunderung anstarrten. Nichts an dem Traume war wirklich gewesen, als mein Gelächter, ein Ton, der nie zuvor in diesem ernsten Heiligthum vernommen worden, und den Ohren der Weisheit so verhaßt war, daß er die ganze Brüderschaft elektrisirte.
Der Bibliothekar kam jetzt auf mich zu und fragte, ob ich eine Eintrittskarte habe. Anfangs verstand ich ihn nicht; allein ich fand bald, daß die Bibliothek eine Art von literarischem »Gehege« sei, das unter dem Schutze der Forstgesetze steht, und daß Niemand, ohne besondere Ermächtigung und Erlaubniß, sich unterfangen würde, darin zu jagen. Mit Einem Wort, ich stand als ein überwiesener Wilddieb da, und war froh, mich eilig zurückziehen zu können, sonst wäre eine ganze Meute von Schriftstellern auf mich losgelassen worden.
Ein königlicher Dichter.
Ist dein Körper gleich gefesselt,
Und die sanfte Lieb’ gebunden:
Deines Geistes Schönheit hat
Band und Fessel nie empfunden.
Darum blickst du ohne Schande,
Blickest stolz auf deine Bande.
Fletcher .
An einem lieblichen, sonnigen Morgen, in dem fröhlichen Maimonat, machte ich einen Ausflug nach dem Schlosse Windsor. Dieß ist ein Ort voll von geschichtlichen und dichterischen Ideenverbindungen. Schon der äußere Anblick des mächtigen alten Gebäudes [Fußnote: Der Verf. spricht von dem Schlosse. – Anm. des Uebers. ] reicht hin, erhabene Gedanken zu wecken. Es erhebt seine unregelmäßigen Mauern und massenhaften Thürme, wie eine Mauerkrone, um den Kamm eines hohen Bergrückens, läßt sein königliches Banner in den Wolken flattern, und sieht, mit einem Herrscherblicke, auf die es umgebende Welt nieder.
An diesem Morgen hauchte die Erde, jene milde, erquickende Frühlingsluft, welche in der Phantasie des Menschen alles verborgene Romantische hervorruft, sein Herz mit Musik erfüllt, und ihn stimmt, dichterischer Stellen zu gedenken, und von Schönheit zu träumen. Während ich durch die prachtvollen Säle und die mächtigen Hallen des Schlosses wandelte, ging ich gleichgültig bei ganzen Reihen Portraits von Staatsmännern und Kriegern vorüber, verweilte aber in dem Zimmer, wo die Bildnisse der Schönheiten hangen, welche den muntern Hof Karl des Zweiten verherrlichten; und indem ich sie beschaute, wie sie mit üppigen, halbaufgelösten Haarflechten und dem schmachtenden Auge der Liebe gemalt sind, segnete ich Sir Peter Lely’s Pinsel, der mich so in den Stand setzte, im Widerscheine der Schönheit mich zu sonnen. Auch während ich über die »großen, grünen Höfe« ging, mit dem Sonnenschein an den grauen Mauern, und über den Sammetrasen dahinstreifte, erfüllte das Bild des zärtlichen, des ritterlichen, aber unglücklichen Surrey meine Seele, und ich dachte an die Schilderung seiner Wanderungen auf denselben in seinen Jugendtagen, als er in Lady Geraldine verliebt war. –
Das Auge zu der Jungfrau Thurm erhoben
Und still, nach der Verliebten Weise, seufzend.
In dieser Stimmung vollkommen dichterischer Empfänglichkeit besuchte ich das alte Verließ des Schlosses, wo Jakob der Erste von Schottland, der Stolz und Lieblings-Gegenstand schottischer Dichter und Geschichtschreiber, mehrere von seinen Jugendjahren als Staatsgefangener bewacht wurde. Es ist ein großer, grauer Thurm, welcher den Stürmen von Jahrhunderten getrotzt hat, und noch gut erhalten ist. Er steht auf einem Walle, welcher über die anderen Theile des Schlosses emporragt, und eine große Menge von Stufen führen in das Innere. In der Rüstkammer, einer gothischen, mit Waffen verschiedener Arten und Zeiten angefüllten Halle, zeigte man mir einen an der Wand hängenden Waffenrock, welcher, wie man mir sagte, einst Jakob gehört hatte.
Von hier auf führte man mich eine Treppe höher, in eine Reihe Zimmer von verblichener Pracht, welche mit geschichtliche Scenen darstellenden Tapeten behangen waren, und sein Gefängniß und den Schauplatz jener leidenschaftlichen und phantastischen Liebe ausmachten, welche in das Gewebe seiner Geschichte die magischen Farben der Poesie und Dichtung eingewoben hat.
Die ganze Geschichte dieses liebenswürdigen, aber unglücklichen Fürsten ist höchst romantisch. In dem zarten Alter von eilf Jahren wurde er von seinem Vater, Robert III., vom Hause
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