Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
hinweggeschickt und an den französischen Hof gesendet, um unter den Augen des französischen Monarchen, vor dem Verrath und der Gefahr sicher, welche das königliche Haus von Schottland umgaben, erzogen zu werden. Sein Mißgeschick wollte, daß er während seiner Reise den Engländern in die Hände fiel und von Heinrich dem Vierten zum Gefangenen gemacht wurde, ungeachtet ein Waffenstillstand zwischen den beiden Ländern bestand.
Die Nachricht von seiner Gefangennehmung, welche im Gefolge mehrerer Bekümmernisse und Unglücksfälle eintraf, war schrecklich für seinen unglücklichen Vater. »Die Kunde,« heißt es, »kam, während er bei dem Abendessen saß, und überwältigte ihn so mit Schmerz, daß er beinahe unter den Händen der Diener, die ihm aufwarteten, seinen Geist aufgegeben hätte. Als er aber in sein Schlafzimmer gebracht war, enthielt er sich aller Speise, und nach drei Tagen starb er vor Hunger und Gram, in Rothesay. [Fußnote: Buchanans Geschichte von Schottland. – Verf. – Rothesay liegt auf der Insel Bute, ungefähr 70 englische Meilen von Edinburgh. Die Trümmer des königlichen Schlosses sind noch jetzt zu sehen.]
Jakob blieb über achtzehn Jahre in Gefangenschaft; aber, obgleich seiner persönlichen Freiheit beraubt, wurde er doch mit der Ehrerbietung behandelt, welche seinem Range gebührte. Man trug Sorge, ihn in allen Zweigen nützlichen Wissens unterrichten zu lassen, welche man damals betrieb, und ihn geistig und körperlich so auszubilden, wie es sich für einen Fürsten geziemt. Vielleicht war in dieser Hinsicht seine Gefangenschaft ein Vortheil, da sie ihn in den Stand setzte, sich desto ausschließlicher mit seiner Bildung zu beschäftigen, ruhig den reichen Schatz des Wissens einzusammeln, und die geschmackvollen Beschäftigungen lieb zu gewinnen, welche seinem Andenken einen solchen Glanz gegeben haben. Das Bild, welches die schottischen Geschichtschreiber in seinem frühern Leben von ihm entworfen haben, ist höchst anziehend, und scheint eher die Darstellung eines Romanhelden, als eines Charakters aus der wirklichen Geschichte zu sein. Er verstand sehr gut, hören wir, »mit dem Schwerdte zu fechten, zu ringen, zu turniren, zu rennen, zu singen und zu tanzen; er war ein erfahrener Arzneikundiger, war sehr geschickt, die Laute, Harfe und mehrere andere musikalische Instrumente zu spielen, und erfahren in Grammatik, Rhetorik und Poesie.« [Fußnote: Bellendens Uebersetzung des Hector Boyce .]
Bei dieser Vereinigung von mannhaften und feinen Geschicklichkeiten, welche ihn in den Stand setzten, in der thätig bewegten, wie in der zierlichen Gesellschaft zu glänzen, und welche berechnet waren, ihm viel Geschmack für ein heiteres Dasein zu geben, muß es, in einem Zeitalter der Regsamkeit und Ritterlichkeit, eine schwere Prüfung für ihn gewesen sein, den Frühling seines Lebens in einförmiger Gefangenschaft hinzubringen. Jakob hatte indessen das Glück, mit einer mächtigen dichterischen Einbildungskraft begabt zu sein, und so gewährten ihm die himmlischen Eingebungen der Muse in seinem Gefängniß Trost und Linderung der Seelenleiden. Manche Gemüther verschrumpfen und werden unthätig bei dem Verlust ihrer persönlichen Freiheit; andere werden krankhaft und reizbar; es liegt jedoch in der Natur des Dichters, in der Einsamkeit des Gefängnisses zärtlich und erfinderisch zu werden. Er schwelgt im Honig seiner eigenen Gedanken und strömt, wie der gefangene Vogel, seine Seele in Melodieen aus:
O, saht ihr nicht die Nachtigall?
Ein Käfig schließt die Pilgrin ein.
Wie süß sind ihre Lieder all’,
Die sie dort singt, einsam, allein.
Ihr hört, wenn sie der Töne Strom ergießt,
Daß überall sie Laub und Wald umschließt. [Fußnote: Roger l’Estrange. – Verf. ]
In der That, die göttliche Quelle dichterischer Phantasie ist unversiegbar und erquickend; wenn die wirkliche Welt ihr verschlossen ist, kann sie sich selbst eine Welt erschaffen, und mit ihrer Zauberkraft herrliche Gestalten und Formen und glänzende Gebilde herauf beschwören, die Einsamkeit zu bevölkern und die Dunkelheit des Kerkers zu umstrahlen. So war es eine Welt voll Pracht und Prunk, welche Tasso in seiner traurigen Zelle zu Ferrara umgab, als er die erhabenen Gestalten seines Jerusalems erfand, und wir können das » Königs-Buch[King’s Quair] ,« das Jakob während seiner Gefangenschaft in Windsor dichtete, auch als einen solchen schönen Ausflug der Seele aus dem Zwange und der Düsterheit des
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