Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
Gefängnisses ansehen.
Der Gegenstand des Gedichts ist seine Liebe zu Lady Jane Beaufort, der Tochter des Grafen von Somerset und einer Prinzessin aus dem königlichen Geblüte von England, in die er sich während seiner Gefangenschaft verliebte. Was ihm einen besondern Werth gibt, ist, daß es als eine Schilderung der wahren Gefühle des königlichen Barden, und als eine Geschichte seiner wirklichen Liebe und seines Schicksals angesehen werden kann. Es geschieht nicht oft, daß Fürsten dichten, oder Dichter fühlen, was sie singen. Es thut dem Stolze eines gemeinen Mannes wohl, einen Monarchen zu sehen, der so gleichsam um den Zutritt zu seiner Klause buhlt, und seine Gunst dadurch zu gewinnen sucht, daß er sein Vergnügen fördert. Es ist ein Beweis der rechtlichen Gleichheit geistiger Bewerbung, welche allen Flitter künstlicher Würde abstreift, den Bewerber auf eine Stufe mit seinem Nebenbuhler herab bringt, und ihn nöthigt, sich auf seine eigenen, angebornen Kräfte zu verlassen, wenn er sich Auszeichnung verschaffen will. Es ist auch merkwürdig, die Herzensgeschichte eines Monarchen zu erfahren, die einfachen Empfindungen der menschlichen Natur auch unter dem Hermelin rege zu finden. Jakob war indessen Dichter gewesen, ehe er König geworden; er war in der Schule des Unglücks erzogen, und in der Gesellschaft seiner eigenen Gedanken aufgewachsen. Monarchen haben selten Zeit, mit ihrem Herzen Rücksprache zu halten, oder ihr Gemüth für Poesie zu stimmen; und wäre Jakob unter den Schmeicheleien und im Glanze eines Hofes aufgewachsen, so würden wir, aller Wahrscheinlichkeit nach, nie solch ein Gedicht erhalten haben, wie das »Königs-Buch.«
Ganz besonders haben mich die Theile des Gedichts angezogen, welche seine unmittelbaren Gedanken über seine Lage aussprechen, oder die mit dem Zimmer im Thurme in Verbindung stehen. Sie haben einen solchen persönlichen und örtlichen Reiz, und sind mit so umständlicher Treue gegeben, daß sie den Leser zu dem Gefangenen in seinen Kerker versetzen, und ihn zum Theilnehmer an seinen Betrachtungen machen.
Folgendes ist die Schilderung, welche er von der Oede seines Geistes macht, und von dem Vorfall, welcher ihn zuerst auf den Gedanken brachte, das Gedicht zu schreiben. Es war die stille Mitternachtsstunde einer heitern Mondscheinnacht; die Sterne, sagt er, blinkten wie Feuer an dem hohen Gewölbe des Himmels, »und Cynthia netzte ihre goldenen Locken im Wassermann.« Er lag im Bette, wachend und ruhelos, und nahm ein Buch, die trägen Stunden zu vertreiben. Das Buch, welches er wählte, waren des Boethius philosophische Trostgründe, ein Werk, welches bei den Schriftstellern jener Zeit sehr beliebt, und von seinem großen Vorbilde, Chaucer, übersetzt worden war. Aus dem hohen Lobe, welches er dem Buche spendete, sieht man deutlich, daß dieß eines seiner Lieblingswerke gewesen ist, so lange er im Gefängnisse war, und, in der That, es bietet bewundernswerthen Stoff zum Nachdenken im Unglück. Es ist das Vermächtniß eines edlen und duldenden Geistes, geläutert durch Sorgen und Leiden, seinen Nachfolgern im Elende die Lehren einer angenehmen Moral und die ganze Reihe beredter aber einfacher Gründe hinterlassend, wodurch er selbst im Stande war, sich den verschiedenen Uebeln des Lebens entgegen zu stemmen. Es ist ein Talisman, den der Unglückliche in seinem Busen aufbewahren, oder, wie der gute König Jakob, auf seinen nächtlichen Pfühl legen mag.
Nachdem er das Buch zugemacht, überdenkt er dessen Inhalt in seinem Geiste, und verfällt allmählig in ein Sinnen über die Unbeständigkeit des Glücks, die Wechsel seines eigenen Lebens und die Uebel, die ihn schon in seiner zarten Jugend befallen haben. Plötzlich hört er die Glocke zum Morgengebet läuten; aber ihr Klang, mit seinen eigenen trüben Gedanken verschmelzend, scheint ihm eine Stimme zu sein, die ihn auffordert, seine Geschichte zu schreiben. In dem Geiste dichterischer Ritterlichkeit entschließt er sich, diesem Rufe zu folgen; er nimmt daher die Feder zur Hand, macht mit derselben ein Zeichen des Kreuzes, um den Segen des Himmels zu erflehen, und eilt in das Feenland der Dichtkunst fort. Es liegt etwas ungemein Phantastisches in allem diesem, und es ist anziehend, weil es ein merkwürdiges und schönes Beispiel von der einfachen Weise darbietet, nach welcher ganze Folgereihen dichterischer Gedanken zuweilen geweckt und literarische Versuche dem Geiste dargeboten werden.
In dem Laufe seines
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