Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
auszuströmen und die ganze Natur in Entzücken und Gesang aufzulösen scheint. Wenn sie in der That eine so große Glückseligkeit und eine Segnung sei, welche so allgemein dem unbedeutendsten Wesen zu Theil würde, warum werde er allein von ihren Freuden ausgeschlossen?
Oft dacht’ ich wohl, o Gott, was mag dieß sein,
Daß Lieb’ so Edles, Hohes kann entzünden,
Daß sie die Ihren liebt, daß sie ihr Glück allein
So bildet, wie wir’s in den Büchern finden,
Und ihre Herzen lösen kann und binden;
Beherrscht sie unser Herz mit solcher Kraft?
Wie, oder täuscht uns eitle Leidenschaft?
Denn, ist sie wirklich von so großer Trefflichkeit,
Daß Alle ihres Schirmes sich erfreuen,
Was ist mein Fehl, was that ich ihr zu Leid,
Daß ich im Kerker bin, die Vöglein all’ im Freien.
Mitten in seinen Träumereien erblickt er, als er seine Augen niederschlägt, »die schönste und frischeste junge Blume,« die er je gesehen hat. Es ist die liebliche Lady Jane, welche im Garten spazieren geht, um die Schönheit dieses »frischen Maimorgens« zu genießen. Indem sie ihm, in dem Augenblick der Einsamkeit und der erhöhten Empfänglichkeit, so plötzlich zu Gesicht kommt, bemächtigt sie sich sogleich der Einbildungskraft des romantischen Prinzen, und wird der Gegenstand seiner umherschweifenden Wünsche, die Beherrscherin seiner Gedankenwelt.
In diesem reizenden Abschnitte herrscht eine augenscheinliche Aehnlichkeit mit dem Anfange von Chaucer’s Erzählung des Ritters, wo Palaemon und Arcites sich in Emilia verlieben, die sie im Garten ihres Gefängnisses umherwandeln sehen. Vielleicht veranlaßte die Aehnlichkeit der wirklichen Thatsache mit dem, was er im Chaucer gelesen hatte, Jakob dazu, in seinem Gedichte dabei zu verweilen. Seine Schilderung der Lady Jane ist nach der malerischen und genau beschreibenden Art seines Meisters entworfen, und, da sie ohne Zweifel nach dem Leben gemacht ist, das getreue Bild einer Schönheit jener Zeit. Er verweilt, mit der Innigkeit eines Liebhabers, bei jedem einzelnen Theile ihres Anzugs, von dem Perlennetze, glänzend von Smaragden und Saphiren, welches ihre goldenen Locken umfängt, bis zu der »schönen Kette von feiner Goldarbeit« um ihren Hals, und an welcher vorn ein Rubin, in Gestalt eines Herzens hing, der, wie er sagt, ein Feuerfunken zu sein schien, der auf ihrem weißen Busen glühte. Ihr Kleid, von weißem Gewebe, war aufgesteckt, damit sie bequemer gehen konnte. Zwei Begleiterinnen folgten ihr, und um sie spielte ein Hündchen mit einem Glockenhalsbande, wahrscheinlich einer der kleinen italienischen Hunde von so ebenmäßigem Gliederbau, welche die Zimmergefährten und Lieblinge der Modedamen in alten Zeiten waren. Jakob schließt seine Schilderung mit einem Ausbruche allgemeinen Lobes.
In ihr war Jugend, Reiz, sittig Betragen,
War Güte, Milde, sanfte Weiblichkeit;
Gott weiß es besser, als mein Mund kann sagen:
Die Weisheit, Huld und die Beredsamkeit,
Sie waren überall so ihr Geleit,
In Wort, in That, in Aeußerem, in Mienen,
Daß sie mir das Vollendet’ste geschienen.
Die Entfernung der Lady Jane aus dem Garten macht dieser vorübergehenden Unruhe des Herzens ein Ende. Mit ihr verschwindet auch der Schein der Liebe, welcher einen vorübergehenden Zauber auf den Schauplatz seiner Gefangenschaft verbreitet hatte, und er sinkt in die Verlassenheit zurück, die ihm jetzt, durch diesen schnellverschwindenden Strahl unerreichbarer Schönheit, noch zehnmal unerträglicher geworden ist. Den langen und öden Tag hindurch trauert er über sein unglückliches Loos, und als der Abend herannaht, und Phöbus, wie er es schön ausdrückt, »jedem Blatt und jeder Blume Lebewohl gesagt hat,« verweilt er noch immer am Fenster und gibt, sein Haupt auf den kalten Stein legend, einem vermischten Gefühl von Liebe und Schmerz nach, bis er, allmählig durch die stumme Schwermuth der Dämmerstunde eingeschläfert, »halb schlafend, halb verzückt,« sich einem Traumbilde hingibt, welches den übrigen Theil des Gedichts umfaßt, und worin er allegorisch die Geschichte seiner Leidenschaft ausmalt.
Wie er aus seiner Verzückung erwacht, erhebt er sich von seinem steinernen Pfühl und befragt, voll von trüben Betrachtungen in seinem Gemach auf-und niederschreitend, seinen Geist, wohin er gewandert sei; ob in der That Alles, was vor seiner träumenden Einbildungskraft vorübergegangen, durch vorhergegangene Ereignisse hervorgerufen worden; oder ob es nur ein Gesicht gewesen sei, bestimmt,
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