Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
Gedichts beklagt er mehr denn einmal die besondere Härte seines Geschicks; so zu einem einsamen und unthätigen Leben verdammt und von der Freiheit und dem Vergnügen der Welt abgeschlossen zu sein, die doch das geringste Thier ungebunden genießt. Es liegt indessen selbst in seinen Klagen etwas Angenehmes; es sind die Klagen eines liebenswürdigen und geselligen Geistes, dem versagt ist, seinen freundlichen, wohlwollenden Neigungen nachzuhängen; es ist nichts Herbes oder Uebertriebenes in ihnen; sie sind mit einer natürlichen und rührenden Empfindung geschrieben, und werden vielleicht noch rührender durch ihre einfache Kürze. Sie bilden einen schönen Gegensatz zu jenen gezwungenen und wiederholten Schmerzergüssen, welche wir zuweilen in Gedichten finden; – mit den Ergießungen krankhafter Gemüther, welche unter selbstgeschaffenem Jammer dahinkränkeln und ihre Bitterkeit an einer schuldlosen Welt auslassen. Jakob spricht von seinen Entbehrungen mit tiefer Empfindung, geht aber, wenn er ihrer erwähnt hat, weiter, als ob sein männliches Gemüth es verachte, über unabwendbarem Unglück zu brüten. Wenn ein solcher Geist Klagen ausstößt, so kurz sie auch sein mögen, so gewahren wir, wie groß die Leiden sein müssen, welche ein Murren erpressen. Wir theilen die Gefühle Jakob’s, eines romantischen, thätigen und gebildeten Fürsten, der in der Blüthe der Jugend von allen Unternehmungen, den edlen Beschäftigungen und kräftigen Vergnügungen des Lebens ausgeschlossen ist, wie wir Milton beklagen, der eine lebendige Empfänglichkeit für alle Schönheiten der Natur und alle Herrlichkeiten der Kunst hat, wenn er kurze, aber tief wiedertönende Klagen über seine ewige Blindheit ausathmet.
Hätte Jakob nicht bewiesen, daß es ihm an poetischer Künstelei fehlt, so möchten wir beinahe glauben, daß diese, in trüben Betrachtungen verbrachte Nacht dazu dienen sollte, den glänzendsten Abschnitt seiner Geschichte einzuleiten und einen Gegensatz zu jenem Glanze von Licht und Liebenswürdigkeit zu bilden, zu jenem erheiternden Gefolge von Vogel und Gesang, und Laub und Blume und allen den Freuden des Jahres, womit er die Dame seines Herzens einführt. Dieser Abschnitt ist es namentlich, welcher das alte Verließ des Schlosses mit dem ganzen Zauber des Romantischen umwebt. Er sei, sagt er, der Gewohnheit nach, mit Tagesanbruch aufgestanden, um den trüben Gedanken eines schlaflosen Pfühls zu entfliehen. »Indem er in seiner Kammer so allein geklagt,« an aller Freude und Hülfe verzweifelnd, »des Denkens müde und wehevoll,« sei er ans Fenster getreten, um den traurigen Trost des Gefangenen zu genießen, gedankenvoll in eine Welt hinauszublicken, von der er ausgeschlossen sei. Das Fenster ging nach einem kleinen Garten hinaus, welcher am Fuße des Thurmes lag. Es war ein ruhiger, abgeschlossener Fleck, mit Lauben und grünen Baumgängen verziert und gegen die Blicke der Vorbeigehenden durch Bäume und Hagedornhecken geschützt.
Den Thurmes Mauern nah, war hier zu sehn
Ein Garten hold, und in den Ecken stand
Die grüne Laube mit den Stäben schön
Besetzt, und dichtes Blätterwerk umwand
Den ganzen Platz, und eine Hagdornwand,
So daß, wer auch vorüber mochte geh’n,
Im Innern nirgend etwas konnt’ erspäh’n.
So standen dicht Gezweig und Blätter grün
Und schlossen alle Gänge schattig ein,
Und um die Bogen sah man üppig ziehn
Wachholder, scharf und grün die Zweige sein.
Der thät so süße Nacht dem Ganzen leih’n,
Daß, wie von außen Jemand mochte glauben,
Die Aeste ganz umschlossen Gäng’ und Lauben.
Und auf den grünen Zweiglein wiegte sich
Die kleine, süße Nachtigall und sang
Ihr heilig Liebeslied so freudiglich,
Bald sanft, bald laut, nun jubelnd und nun bang’,
Daß rings der Garten und die Mauer klang
Von ihrem Sang –
Es war der Maimonat, wo Alles in Blüthe war, und er legt den Gesang der Nachtigall als die Sprache seiner liebenden Gefühle auf:
Verehrt, ihr Alle, die ihr liebt, den Mai,
Er ist das Anfangsfest von eurer Wonne,
Und singt mit uns, fort, Winter! laß uns frei!
Komm’, Sommer, Jahrszeit süß, und du, o Sonne.
Während er hinausblickt und dem Gesange der Vögel lauscht, verfällt er allmählig in eine jener zärtlichen unerklärlichen Träumereien, welche in dieser köstlichen Jahreszeit den jugendlichen Busen erfüllen. Er wundert sich, was diese Liebe wohl sein könne, von der er so oft gelesen hat, welche mit dem belebenden Hauche des Mai’s zugleich
Weitere Kostenlose Bücher