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Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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von dem Wohlleben zeugen, wie die Pudding-Gasse noch heutiges Tages als Beweis dienen kann. »Denn Eastcheap,« sagt der alte Stowe, »war seiner Geselligkeit wegen immer berühmt. Die Garköche riefen heiße geröstete Rinderrippen, wohlgebackene Pasteten und andere Lebensmittel aus; da war ein Getöse von zinnernen Kannen, Harfen, Pfeifen und Zithern.« Ach! wie traurig hat sich seit Falstaff’s und des alten Stowe’s lustigen Tagen die Scene geändert! Der tolle Wüstling hat dem betriebsamen Kaufmann Platz gemacht; das Geklapper der Kannen und der Ton der »Harfe und Zither« dem Geräusch der Karren und dem verwünschten Ton der Glocke des Kehrichtmannes [Fußnote: In London wird der Kehricht durch Leute abgeholt, welche neben einem mit einem Pferde bespannten Karren in der Stadt umhergehen, und durch eine Glocke auffordern, den Unrath aus den Häusern zu bringen.] , und man hört keinen Gesang weiter, als vielleicht die Töne einer Sirene von Billingsgate[der große, am Themseufer befindliche Fischmarkt] , welche das Lob ihrer todten Makrelen verkündigt.
    Ich sah mich vergebens nach der alten Wohnung der Frau Quickly um. Das einzige Ueberbleibsel ist ein Eberkopf, welcher in Stein ausgehauen ist, und der früher zum Schilde diente, jetzt aber in die Scheidewand der beiden Häuser eingemauert ist, welche auf der Stelle der berühmten alten Schenke stehen.
    Was die Geschichte dieses kleinen Reichs der lustigen Brüderschaft betraf, so verwies man mich an die gegenüber wohnende Wittwe eines Lichterziehers, welche an dem Orte geboren und erzogen war, und als die untrüglichste Geschichtsquelle der ganzen Nachbarschaft angesehen wurde. Ich fand sie in einem kleinen Hinterstübchen sitzen, dessen Fenster auf einen, etwa acht Fuß im Gevierte haltenden, und wie ein Blumengarten eingerichteten Hof gingen, während eine Glasthür gegenüber einen entfernten Blick auf die Straße, zwischen einem Vorgrunde von Seife und Talglichtern hindurch, zuließ; die zwei Aussichten, welche, höchst wahrscheinlich, die ganzen Fernblicke ihres Lebens und die kleine Welt bildeten, in welcher sie, die größere Hälfte eines Jahrhunderts hindurch, gelebt, sich bewegt und ihr Dasein genossen hatte.
    In der Geschichte von Groß- und Klein-Eastcheap, von dem Londoner-Steine bis zum Monument [Fußnote: Dem zum Gedächtniß des großen Brandes in London, im Jahre 1666, errichteten Denkmal, unweit der Londoner Brücke.] , bewandert zu sein, hieß, ihrer Meinung nach, ohne Zweifel, die Geschichte des Weltalls kennen. Bei allem diesen hatte sie jedoch die Einfalt, welche der wahren Weisheit eigen ist, und jene freisinnige, mittheilende Gemüthsart, die ich allgemein bei verständigen alten Frauen bemerkt habe, welche mit den Begebnissen in ihrer Nachbarschaft bekannt sind.
    Ihre Kenntniß erstreckte sich jedoch nicht weit in die alte Zeit zurück. Sie konnte keinen Aufschluß über die Geschichte des Eberkopfes, von der Zeit an, wo Frau Quickly den tapfern Pistol heirathete, bis zu dem großen Feuer in London, wo er unglücklicherweise niederbrannte, ertheilen. Er war bald wieder aufgebaut worden, und fuhr fort, unter dem alten Namen und Zeichen zu blühen, bis ein Gastwirth – dem seine Gewissensbisse wegen doppelter Zechen, schlechten Maßes und anderer Uebelthaten, welche dem sündigen Geschlecht der Gastwirthe ankleben, keine Ruhe ließen – sich auf seinem Todtenbette dadurch mit dem Himmel auszusöhnen suchte, daß er die Schenke der Kirche von St. Michael in Crooked-Lane vermachte, um von dem Ertrage derselben einen Caplan zu halten. Eine Zeit lang wurden die Kirchencollegiums-Versammlungen regelmäßig hier gehalten; allein man wollte bemerken, daß der alte Eber sein Haupt unter der geistlichen Regierung nie recht erhob. Er verfiel allmählig, und hauchte endlich, ungefähr vor dreißig Jahren, seinen letzten Odem aus. Die Schenke ward nun zu Läden eingerichtet; die Frau sagte mir jedoch, daß ein Bild derselben noch in der St. Michaeliskirche vorhanden sei, welche gerade hinter der Schenke stehe. Die Neugierde, dieses Bild zu sehen, trieb mich bald weiter zu kommen, und nachdem ich mich über die Wohnung des Küsters belehrt hatte, nahm ich Abschied von der ehrwürdigen Geschichtsquelle von Eastcheap, deren eigene Meinung von ihrer Sagenkunde durch meinen Besuch gewiß um ein Bedeutendes größer geworden war, so wie dieser ein wichtiges Ereigniß in ihrer Lebensgeschichte bildete.
    Es kostete mir einige Mühe und viele

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