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Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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die schönen Stellen betraf, so waren sie von früheren Bewunderern bereits hinlänglich gepriesen; ja der Barde war vor Kurzem von einem großen deutschen Kritiker mit Lob so übergossen worden, daß es jetzt schwer wird, selbst einen Fehler zu finden, aus dem man nicht eine Schönheit herausbewiesen hätte.
    In dieser Verlegenheit blätterte ich eines Morgens in seinen Werken, als ich zufällig die komischen Auftritte aus Heinrich dem Vierten aufschlug, und Augenblicks ganz in die tollen Streiche in der Schenke zum Eberkopfe verloren war. So lebendig und natürlich sind diese lustigen Scenen geschildert, und die Charaktere mit einer solchen Kraft und Consequenz durchgeführt, daß man sie im Geiste mit den Thatsachen und Personen aus dem wirklichen Leben vermischt. Wenigen Lesern fällt dabei ein, daß dies sämmtlich ideelle Schöpfungen eines Dichtergehirns sind, und daß in der nüchternen Wirklichkeit nie ein solcher Haufen lustiger Gesellen die einförmige Nachbarschaft von Eastcheap belebt hat.
    Ich, meines Theils, überlasse mich gern den Täuschungen der Dichtkunst. Ein Held der Einbildungskraft, welcher nie gelebt hat, ist mir eben so viel werth, als ein Held der Geschichte, der vor tausend Jahren auf der Welt gewesen ist, und wenn man mir diese Unempfänglichkeit für die gewöhnlichen Bande der menschlichen Natur nicht übel nehmen will, so möchte ich den feisten Jack nicht für die Hälfte der großen Leute aus den alten Geschichtsbüchern hingeben. Was haben die Helden aus dem Alterthume für mich oder meines Gleichen gethan? Sie haben Länder erobert, von denen mir nicht ein Morgen gehört; oder sie haben Lorbeeren eingeerntet, von denen ich nicht ein Blatt ererbte; oder sie haben Beispiele von halsbrechender Tapferkeit gegeben, denen zu folgen ich weder Gelegenheit, noch Lust habe. Aber der alte Jack Falstaff! – der gute Jack Falstaff! – der liebe Jack Falstaff! – hat die Grenze des menschlichen Genusses erweitert; er hat große Räume von Witz und Lustigkeit neu hinzugefügt, auf welchen auch der Aermste sich fröhlich ergehen kann; er hat uns ein unerschöpfliches Erbtheil von herzlichem Lachen hinterlassen, um die Menschen, bis auf die späteste Nachwelt hin, fröhlicher und besser zu machen.
    Plötzlich kam mir ein Gedanke ein. »Ich will eine Pilgerfahrt nach Eastcheap machen,« sagte ich, indem ich das Buch zuschlug: »und sehen, ob die alte Schenke zum Eberkopfe noch vorhanden ist. Wer weiß, ob ich nicht noch einige sagenhafte Spuren von der Frau Quickly und ihren Gästen auffinde; auf jeden Fall werde ich, wenn ich so die Gemächer betrete, welche einst von ihrer Fröhlichkeit widerhallten, ein eben so großes Vergnügen empfinden, wie der Zecher, wenn er an dem leeren Fasse riecht, das einst mit edelm Weine gefüllt war.«
    Kaum hatte ich diesen Entschluß gefaßt, als ich ihn auch ausführte. Ich will der verschiedenen Abenteuer und Wunder, die mir auf meiner Reise begegneten, gar nicht gedenken; nicht der spukhaften Gegenden vor Cocklane; nicht des dahingeschwundenen Ruhms vor Little-Britain und seiner Umgebungen; nicht der Gefahren, die ich in Cateatonstreet und der Old-Jewry lief; nicht der berühmten Guildhall und ihrer zwei verkrüppelten Riesen, des Stolzes und des Wunders der Altstadt, und des Schreckens aller heillosen Jungen; und wie ich den Stein von London besuchte, und, wie jener Erz-Rebell, Jack Cade, mit meinem Stabe darauf schlug. [Fußnote: Dieß sind sämmtlich Gegenden und Denkmale, welche in dem Bezirk der Altstadt London liegen. Cocklane, die Hahnengasse, wo es im Jahre 1762 eine berühmte Spukgeschichte gab. Little-Britain, Klein-Britannien, ist eine der Nebenstraßen der großen, nach dem nördlichen Theile von London führenden Hauptstraße, Aldersgate-street; Cateatonstreet und die Old-Jewry, das alte Judenthum, sind Nebenstraßen von Cheapside, der belebtesten Straße der City. Die beiden Riesen sind die Statüen des Gog und Magog; und der Stein von London,
the London Stone,
steht an der südlichen Mauer der St.-Swithin’sKirche in Canon-street. Jack Cade, der irische Rebell, welcher unter Heinrich dem Sechsten (1450) eine Empörung in London anzettelte und durch die Vorstadt Southwark nach der Altstadt vordrang, nahm durch einen feierlichen Schlag mit seinem Schwerdte auf diesen Stein von der Stadt Besitz.]
    Genug, ich langte am Ende in dem fröhlichen Eastcheap an, jenem alten Schauplatze des Witzes und der Schwelgerei, wo selbst die Namen der Straßen

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