Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
hergeben, und beinahe eben so viele bändereiche Abhandlungen und Streitschriften erzeugen werden, als der Schild des Achilles, oder die weitberühmte Portland-Vase.
Die Wandelbarkeit der Literatur.
Ein Gespräch in der Westminster-Abtei.
Ich weiß es, eitel ist des Menschen Drang,
Was immer mag durch Sterbliche entsteh’n,
Muß mit dem Zeitenlauf in Nichts vergeh’n.
Ich weiß es, all der Musen Himmelssang,
Durch Müh’n erkauft und bittre Herzenswehn,
Scheint eitler Schall, den wenige versteh’n,
Und bloßes Lob ist leichter, eitler Klang.
Drummond von Hawthornden.
Es gibt gewisse halbträumende Geistesstimmungen, in denen wir uns unwillkührlich aus Geräusch und Glanz hinwegstehlen, und irgend ein ruhiges Plätzchen aufsuchen, wo wir unsern Träumereien nachhängen, und unsere Luftschlösser ungestört bauen können. In einer solchen Stimmung schlenderte ich in den alten grauen Kreuzgängen der Westminster-Abtei umher, mich jener Wonne gegenstandlosen Sinnens erfreuend, welches man gern mit dem Namen Nachdenken belegt; als auf einmal ein Schwarm toller Jungen aus der Westminster-Schule, welche Fußball spielten, in die mönchische Stille des Ortes hereinbrach, und die gewölbten Gänge und die modernden Gräber von ihrer Fröhlichkeit widertönen ließ. Ich suchte mich dadurch vor ihrer lauten Fröhlichkeit zu schützen, daß ich noch tiefer in die Einsamkeit des Gebäudes eindrang, und mich an einen der Kirchendiener wandte, um Zutritt zu der Bibliothek zu erhalten. Er führte mich durch ein Portal, welches an bröckelnder Bildhauerarbeit früherer Jahrhunderte reich war und von dem ein düsterer Gang zu dem Kapitelhause und dem Zimmer führte, wo das Doomsday-Book sich befindet. [Fußnote: Das Original des, erst im Jahr 1788 vom Parlament herausgegebenen, Landbuches Wilhelm des Eroberers.] Auf diesem Gange erblickte man links eine kleine doppelt verschlossene Thüre, deren Riegel der Kirchendiener mit einiger Anstrengung zurückschob, als würde sie nur selten geöffnet. Wir stiegen nun eine dunkle, schmale Treppe hinan und traten, durch eine zweite Thüre gehend, in die Bibliothek.
Ich sah mich in einem hohen, altväterischen Saale, dessen Decke durch starke Stützen von altem englischen Eichenholze getragen wurde. Er ward spärlich durch eine Reihe gothischer, in bedeutender Entfernung von dem Boden befindlicher Fenster erleuchtet, welche, dem Anscheine nach, auf das Dach der Kreuzgänge hinausgingen. Ein altes Bild, irgend einen ehrenwerthen Würdenträger der Kirche in seinem Amtskleide darstellend, hing über dem Kamin. Um den Saal und in einer kleinen Gallerie standen die Bücher in eichenen, mit Schnitzwerk verzierten Schränken aufgestellt. Sie bestanden hauptsächlich aus alten polemischen Schriftstellern, und hatten weit mehr durch die Zeit, als durch den Gebrauch gelitten. Mitten in der Bibliothek stand ein einzelner Tisch, mit zwei oder drei Büchern darauf, einem Tintenfaß ohne Tinte, und einigen wenigen, wegen langen Nicht-Gebrauchs, vertrockneten Federn. Der Ort schien für ruhiges Studium und tiefes Nachdenken geeignet. Er lag mitten zwischen den massiven Mauern der Abtei und von dem Geräusch der Welt abgeschlossen. Ich konnte nur dann und wann das Geschrei der Schulknaben vernehmen, das schwach aus den Kreuzgängen sich verbreitete, und den Klang der Abendglocke, die zum Gebete läutete und bescheiden über die Dächer der Abtei hintönte. Nach und nach ward der fröhliche Lärm immer schwächer und schwächer, und verstummte zuletzt. Die Glocke hörte auf zu läuten und tiefes Schweigen herrschte in den düstern Hallen.
Ich hatte einen kleinen, dicken, seltsam in Pergament gebundenen Quartband mit messingenen Klappen, herabgenommen, und setzte mich an den Tisch in einen ehrwürdigen Lehnstuhl. Statt indessen zu lesen, versetzte mich das feierliche, mönchische Ansehen und die leblose Ruhe des Ortes in ein anhaltendes Nachdenken. Indem ich auf die alten Bände in ihren modernden Deckeln, wie sie auf den Bücherbrettern neben einander standen, und dem Anscheine nach nie in ihrer Ruhe gestört wurden, umherblickte, konnte ich nicht umhin, die Bibliothek mit einer Art literarischer Katakombe zu vergleichen, wo die Schriftsteller, gleich Mumien, andächtig beigesetzt werden, um sich allmählig zu schwärzen und in der Vergessenheit des Staubes dahinzumodern.
Was mag nicht, dachte ich bei mir selbst, ein jeder von diesen, jetzt mit solcher Gleichgültigkeit an die Seite gelegten
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