Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
Vom Netzwerk:
sehr, als antiquarische Untersuchungen; denn ich sah augenblicklich, daß dieser Becher nichts anderes sein konnte, als eben der »halb liebevolle aber vergoldete Becher,« auf welchen Falstaff seinen treulosen Schwur abgelegt hatte, und welcher, natürlich unter ihren Kleinodien, als ein Beweis dieser feierlichen Verpflichtung aufbewahrt worden war. [Fußnote: »Du schwurst mir auf einen halb vergoldeten Becher, als du in meiner Delphinstube, an dem runden Tische, bei einem Steinkohlenfeuer saßest, am Mittwoch in der Pfingstwoche, als der Prinz dir den Kopf blutig geschlagen, weil du seinen Vater mit einem Chorsänger in Windsor verglichen hattest; da schwurst du mir, als ich dir deine Wunde auswusch, du wolltest mich heirathen und mich zu einer Mylady, deiner Gemahlin, machen. Kannst du es leugnen?« Heinrich der Vierte. Thl. 2.]
    Die Wirthin erzählte mir jetzt eine lange Geschichte, wie der Becher von Geschlecht zu Geschlecht gegangen sei. So unterhielt sie mich auch von mehreren Einzelheiten über die würdigen Kirchenvorsteher, welche sich so ruhig auf die Stühle der alten lustigen Gesellen von Eastcheap gesetzt haben, und, wie die Erklärer Shakspeare’s, ganze Rauchwolken zu seiner Ehre aufsteigen lassen. Diese will ich übergehen, weil meine Leser nicht so neugierig über dergleichen Gegenstände sein werden, als ich. Genug, die Leute die in der Gegend von Eastcheap wohnen, glauben, ohne Ausnahme, daß Falstaff und sein lustiger Haufe dort wirklich gelebt und geschwelgt habe. Ja, es gibt mehrere angebliche Anecdoten in Betreff seiner, noch unter den ältesten Besuchern des Maurer-Wappens, welche diese, als von ihren Voreltern auf sie vererbt, ausgeben; und Herr M’Kash, ein irischer Haarkräusler, dessen Laden auf eben der Straßenseite liegt, wie der Eberkopf, erzählt noch mehrere trockene Witze von dem feisten Jack, welche nicht in den Büchern stehen und worüber er seine Kunden fast vor Lachen platzen macht,
    Ich wandte mich jetzt zu meinem Freunde, dem Küster, um noch einige weitere Nachforschungen anzustellen, fand ihn aber ganz in Nachdenken vertieft. Sein Kopf war ein wenig auf eine Seite gesunken; ein schwerer Seufzer erhob sich aus der Tiefe seiner Brust, und ob ich gleich keine Thräne in seinem Auge zittern sah, so bemerkte ich doch deutlich, daß einer seiner Mundwinkel feucht geworden war. Ich folgte der Richtung seines Auges durch die offenstehende Thür, und fand, daß es nachdenklich auf der süßduftenden Lammesbrust ruhte, welche in träufelnder Fettigkeit vor dem Feuer briet.
    Jetzt dachte ich erst daran, daß ich, in dem Eifer meiner tiefgehenden Untersuchung, den armen Mann von seinem Mittagsessen abhielt. Mein Magen bellte aus Mitgefühl; ich drückte ihm einen kleinen Beweis meiner Dankbarkeit und Anerkennung in die Hand, und entfernte mich mit herzlichen Segenswünschen für ihn, für Frau Honeyball und den Kirchspielsclub in Crooked Lane, wobei ich meinen schäbigen, aber spruchreichen Freund mit dem wachstuchenen Hut und der rothen Nase nicht vergaß.
    So habe ich denn eine »langweilig-kurze« Erzählung von dieser anziehenden Untersuchung gegeben, zu deren Entschuldigung ich, wenn sie zu kurz und unbefriedigend ausgefallen sein sollte, nur meine Unerfahrenheit in diesem Zweige der Literatur anführen kann, welcher in der gegenwärtigen Zeit mit Recht so beliebt ist. Ich weiß wohl, daß ein gewandterer Erläuterer des unsterblichen Barden die Materialien, die ich hier nur berührt habe, zu einem ansehnlichen, wohl verkäuflichen Werke ausgesponnen haben würde, das die Lebensbeschreibungen des Wilhelm Walworth, Jack Straw und Robert Preston, einige Nachrichten von ausgezeichneten Fischhändlern in St. Michael, die Geschichte von Groß- und Klein-Eastcheap, geheime Anecdoten von der Frau Honeyball und ihrer hübschen Tochter, deren ich nicht einmal erwähnt habe, eines Frauenzimmers nicht zu gedenken, das die Lammesbrust besorgte (und das, wie ich bemerkte, ein schmuckes Mädchen, mit einem hübschen Fuße und Knöchel war) – in sich begriffen haben würde, wobei das Ganze durch den Aufruhr Wat Tyler’s, Lebendigkeit erhalten hätte, und durch das große Feuer in London beleuchtet worden wäre.
    Alles dieß lasse ich als eine reiche Fundgrube hinter mir, welche spätere Erläuterer bearbeiten mögen; auch zweifele ich nicht, daß die Tabaksdose und der »halbvergoldete Becher,« welche ich jetzt an das Tageslicht gebracht habe, später Gegenstände zu Kupferstichen

Weitere Kostenlose Bücher