Gott´sacker (Krimi-Edition)
immer bis zum Schluss neugierig zum Grab, denn der heimliche Höhepunkt einer Beerdigung war für viele das Kondolieren. Ob sich da noch eine Sensation ereignen würde? Manchmal fielen Witwen in Ohnmacht, und das bot dann tagelangen Gesprächsstoff für die Dorfbewohner.
Den Plan, den er sich für die kommende Nacht ausgedacht hatte, ließ er augenblicklich fallen. Es ging viel einfacher – Gott sei Dank hatte er den Raum schon hergerichtet.
Er musste die junge Frau nur von der anderen Seite der Kirche her kommend abpassen. Bestimmt würde sie wie immer die Abkürzung durch das Heckenwäldchen zum Unterdorf nehmen. Sein Fehlen würde niemandem auffallen. Ruhig bewegte er sich aus der Menge heraus und nickte noch freundlich dem Bürgermeister zu, der ihm würdevoll mit einem angemessenen Senken des Hauptes antwortete. Als er hinter der Sakristei aus dem Blick der Trauergemeinde war, eilte er los, schnappte sich eine Schubkarre vom abgelegenen Komposthaufen des Friedhofs und zwängte sich geschickt durch Hecken und Büsche. An einem Hagebuttenstrauch kratzte er sich die Hand auf.
»Heiland Herrgott Sakrament, Scheiß Hagebutzen!«
Schwitzend erreichte er die junge Frau genau dort, wo er es erwartet hatte. Er stellte die Schubkarre in der Wiese ab und bewegte sich hinter den Hecken schnell auf die Frau zu.
Hoffentlich bemerkt sie mich nicht. Aber die krieg ich, die krieg ich; keine Sorge, dir geschieht nichts, wenn du dich nicht wehrst.
Den Wolllappen hatte er zuvor schon kräftig getränkt, als er sich von hinten an Cäcilia heranschlich und ihr den dicken Lappen ins Gesicht drückte. Sie wehrte sich heftig und da er wusste, dass Chloroform auf einem Lappen nicht wie in Filmen eine sofortige Bewusstlosigkeit, sondern eher einen rauschartigen Zustand auslöst, schlug er einmal kräftig mit der bloßen Faust in Cäcilias Genick, als diese sich heftig wehrte und versuchte, sich aus der Umklammerung zu lösen. Ihre Beine zuckten noch einmal kurz spastisch, ein tiefer, röchelnder Seufzer verließ ihren Mund.
Sekunden später lag sie in der Schubkarre. Der keuchende Mann bemerkte die weißen Ohrhörer nicht, die vom iPod losgerissen waren und am dunklen Haselnussstrauch baumelten.
Der Weg bergan war mühsam, manchmal dachte der Mann, er könne es nicht schaffen. Immer wieder musste er die Karre drehen und ziehen, um über Unebenheiten der Wiese hinwegzukommen. Die junge Frau sah so schlank und gebrechlich aus, trotzdem wurde sie dem Mann schwerer und schwerer. Endlich sah er seine Werkstatt. Der Schweiß lief ihm in Bächen von der Stirn, bildete Tropfen an der Nase, die in schneller werdendem Rhythmus auf die Beine der Entführten tropften, da er sich weit nach vorn beugen musste, um die Last die letzten zähen Meter den Hang hinaufzuschieben. Es war auch an der Zeit. Die schwarz gekleidete Frau im Karren stöhnte immer lauter.
Der Mann karrte seine kostbare Fracht, die allmählich zu sich kam, eilig die letzten Meter auf dem schmalen glühenden Asphaltweg zu seinem Schopf. Der flüssig gewordene, aromatische Teer sang schmatzend unter dem Rad.
Der vordere Teil des Gebäudes, in dem sich die Werkstatt befand, bestand aus altem Kalksteingemäuer und besaß einen nachträglich betonierten Boden. Der Mann schob eine große Holzkiste im hinteren Teil des Raumes beiseite und öffnete eine schmale Bodenluke. Vorsichtig hob er die bewusstlose Cäcilia aus der Schubkarre und ließ sie behutsam die steile Holztreppe zum Kellerboden hinunter.
Unten hatte er den kleinen Raum schon hergerichtet. Auf dem Naturboden lag eine Matratze mit einem sauberen Spannbetttuch, darauf ein kariertes Kopfkissen. Ein Camping-WC stand in einer Ecke. Die oben liegende schmale Fensterluke hatte er mit Brettern vernagelt und mit Styropor und Fugenschaum abgedichtet. Von der Decke hing eine 40-Watt-Glühbirne ohne Fassung. Aus der unverputzten Wand unterhalb des vernagelten Fensters ragte ein tropfender Wasserhahn aus einer Kupferleitung, darunter stand ein halb gefüllter Zinkeimer.
Er musste sich beeilen, die junge Frau schien allmählich zu sich zu kommen. Sie atmete heftig, stöhnte und schlug kraftlos mit den Armen um sich, als er sie zur Matratze schleppte. Fast zärtlich bettete er sie auf das Lager. Dann sah er ihr weißes Handy, das an den Gürtel des Rocks geklipst war.
»Herrgott Sakrament noch mal, das hätte ich beinahe übersehen. Keine Angst, dir geschieht nichts, wahrscheinlich nichts«, flüsterte er, als er die Tür
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