Gott´sacker (Krimi-Edition)
ich gehe zu dir, ich richte uns was Kühles her. Und Hunger habe ich auch, ich habe seit heute Morgen nichts Rechtes mehr gehabt.«
»Ich habe noch Rindsrouladen im Gefrierfach – die kannst du ja machen, darauf hätte ich richtig Appetit, hol bei deiner Mama noch ein paar Spätzle«, raunte ich ihr ins Ohr.
»Mal sehen, das ist mir fast zu heftig in der Hitze.«
»Nimm auf jeden Fall mein Handy. Das läuft heute nicht nach Plan, vielleicht musst du bedienen helfen oder gehst noch an den Baggersee.«
»Nein, das brauche ich nicht, das Monstrum«, sie streckte mir mein blaues Kommunikationswunder wieder entgegen, »wir finden uns auf jeden Fall.«
»Doch, nimm’s bitte mit, das drückt in meiner Hose, mit der doofen Antenne.«
»Da kann ich ja gleich eine ganze Telefonzelle mit mir herumschleppen.«
Sie nickte widerwillig und ließ mein blaues, antiquarisches Handy, das in der Tasche der doch etwas zu engen Strapatex-Erbhose drückte, in der Tiefe ihrer Rocktasche verschwinden. Dann steckte sie sich die weißen Ohrhörer in ihre süßen Öhrchen und verschwand mit ihrem schwarzen Oberteil und dem weiten, schwarzen, knielangen Rock, der ihre Figur ausgezeichnet zur Geltung brachte, in der Menge der Trauernden und Schwitzenden. Lange schaute ich hinter ihrem, meist aus der Menge herausragenden, wippenden Kopf her, sogar noch, als sie längst nicht mehr zu erkennen war.
»Cäci! … Cääääci!«
Von wegen: ›Ich richte uns was Kühles her.‹ Und es roch auch nicht nach dem charakteristischen Parfum von Senf, Gurken, Speck und Rindfleisch einer Rindsroulade. Ich hatte mich so darauf gefreut – Hitze hin oder her. Rindsrouladen zählten zu meinen Lieblingsspeisen.
Und bei Rindsrouladen ging ich auch keine Experimente ein: Fleischlappen pfeffern und salzen. Mittelscharfen Senf darüber dünn verstreichen. Dünne geräucherte Speckscheibe darauflegen. Hauchdünne Zwiebelchen auf den Speck. Und jetzt das Wichtigste, die Essiggurke an den Anfang der Roulade legen, einwickeln, fertig. Scharf anbraten. Mit einem nicht zu bitteren Bier ablöschen. Lang kochen. Guten Appetit.
Cäci war nirgends zu sehen oder zu hören. Die Haustür war verschlossen gewesen. Eigentlich hatte ich keine Lust auf den Leichenschmaus im Goldenen Ochsen.
Ich entledigte mich meiner Festkleidung und machte mich trotzdem zu Fuß auf den Weg. Wahrscheinlich musste Cäci in der Gaststätte mithelfen oder sie lag schon am Baggersee. Als ich am Haus des Alt-Pfarrers vorbeikam, wunderte ich mich über die vielen Autos, die immer noch davor parkten.
Inzwischen war die Wohnung von der Polizei wieder freigegeben worden, aber dass schon direkt nach der Beerdigung das große Ausräumen begann, überraschte mich doch.
Schwitzend trug eine trauergekleidete Frau um die 35 das alte Grundig-Röhrenradio mit dem Holzgehäuse und der Lautsprecher-Stoffbespannung vom Anwesen des Alt-Pfarrers herunter. Hinter ihr lief ein älterer Herr, der Anzüge über dem Arm hielt. Ihnen entgegen lief eine schimpfende Mittsechzigerin: »Und Margots Schmuck, wo ist der? Den hat bestimmt schon die Elfi mitgehen lassen.«
Ich hatte Margot vor ihrem Tod noch nie mit Schmuck gesehen, und in den Sarg hatten sie ihn ihr bestimmt nicht gepackt.
Das Treiben war mir unangenehm und ich wich im Weitergehen einem pickeligen Teenager aus, der scheppernd des Alt-Pfarrers Standuhr mit Big-Ben-Schlag zu einem Auto mit geöffneter Heckklappe schleppte.
Wahrscheinlich musste Cäci in der Gaststätte mithelfen. Da gingen heute garantiert 300 Stück Hefezopf zum Kaffee über den Tresen und gegen Abend noch 200 Essen. Kartoffelsalat mit Schweinebraten und Gurkensalat. Frieda hatte den Angehörigen ein gutes Angebot gemacht.
Nach dem Leichenschmaus würde dieser nichtkirchliche Teil der Trauerfeier, wie so häufig, wenn ältere Menschen zu Grabe getragen worden waren, in die übliche Sauferei ausarten.
Das Gedränge im Gastraum war unerträglich, alle Plätze im Garten waren belegt. Die Fenster waren weit geöffnet, ein Durchziehen der Luft war jedoch nicht zu bemerken. Trotz harter baden-württembergischer Rauchverbotsgesetze stand der Qualm im Gastraum bis zur Decke und bewegte sich nur zäh aus den Fenstern hinaus. Der alkoholisierte Bürgermeister hatte mit einem Ausnahme-Stumpen angefangen. Trotz heftiger Nichtraucher-Proteste war nach wenigen Minuten der Raum eine Räucherkammer. Frieda ließ ihre anfänglichen Proteste und meinte nur trocken zum Bürgermeister: »Wir sehen
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