Gottspieler
die Grenzen meiner Zuständigkeit. Ich möchte gern, daß Sie sich hinsetzen und ein paar Minuten ausruhen. Ich finde, es gibt noch jemand anderen, mit dem Sie jetzt in erster Linie sprechen sollten.«
»Wer ist das?« fragte Cassi.
»Bitte, setzen Sie sich«, sagte Dr. Ballantine sanft. Er rückte den Ohrensessel aus der Ecke vor den Schreibtisch, so daß er zum Fenster sah. »Bitte.« Sacht nahm er Cassis Hand und nötigte sie in den Sessel. »Ich möchte, daß Sie es sich bequem machen.«
Das war der Dr. Ballantine, den Cassi in Erinnerung gehabt hatte. Er würde sich ihrer annehmen. Er würde sich um Thomas kümmern. Dankbar sank sie in die weichen Lederkissen.
»Möchten Sie einen Kaffee? Soll ich Ihnen etwas zu essen holen?«
»Ich könnte etwas zu essen vertragen«, gab Cassi zu. Sie war hungrig und vermutete, daß ihr Blutzuckergehalt sich noch im Rahmen des Erträglichen hielt.
»In Ordnung. Sie warten hier. Ich bin sicher, alles wird wieder gut werden.«
Dr. Ballantine verließ das Zimmer und schloß die Tür leise hinter sich.
Cassi fragte sich, wen er jetzt wohl anrief. Es mußte sich um eine Autoritätsperson handeln; jemand, der Einfluß auf Thomas ausüben konnte, denn auf andere würde er nicht hören. Im Geiste begann sie, ihre Geschichte zu proben. Sie hörte, wie die Tür in ihrem Rücken sich wieder öffnete; in Erwartung von Dr. Ballantine drehte sie sich um. Aber es war Thomas.
Cassi war perplex. Thomas schloß die Tür mit der Hüfte, denn in den Händen hielt er einen Teller mit Rührei und einen Milchkarton. Er war unrasiert, und sein Gesicht wirkte eingefallen und traurig. »Dr. Ballantine sagte, du könntest etwas zu essen gebrauchen«, sagte er sanft. Automatisch nahm Cassi den Teller entgegen. Sie war hungrig, aber zu schockiert, um essen zu können.
»Wo ist Dr. Ballantine?« fragte sie.
»Cassi, liebst du mich?« antwortete Thomas fast flehend mit einer Gegenfrage.
Cassi fühlte sich in die Enge getrieben. Das hatte sie ganz und gar nicht zu hören erwartet. »Natürlich liebe ich dich, Thomas, aber …«
Thomas streckte die Hand aus und legte ihr den Zeigefinger auf die Lippen. »Wenn du mich wirklich liebst, dann müßtest du eigentlich merken, daß ich Probleme habe. Ich brauche Hilfe, und ich weiß, daß es mir besser gehen wird, wenn du mir hilfst.«
Cassi wurde das Herz weich. Was war eigentlich mit ihr los? Natürlich hatte Thomas nichts mit den schrecklichen Ereignissen der vergangenen Nacht zu tun. Seine Krankheit brachte sie noch selbst um den Verstand.
»Natürlich will ich dir helfen«, sagte Cassi mit Nachdruck. Sie hätte nicht gedacht, daß Thomas seine Probleme selbst so genau erkennen könnte.
»Ich habe Drogen genommen«, fuhr er fort, »genau wie du vermutet hast. In der letzten Woche ging es mir etwas besser, aber es ist immer noch ein Problem – ein großes Problem. Ich habe versucht, mir selbst etwas vorzumachen, aber irgendwann muß man sich der Wahrheit stellen.«
»Möchtest du wirklich dagegen ankämpfen?« fragte Cassi.
Thomas hob den Kopf. Tränen rannen ihm über die Wangen. »Um alles in der Welt, aber allein schaffe ich es nicht. Cassi, ich brauche dich an meiner Seite. Ich will, daß du mit mir kämpfst, nicht gegen mich.«
Thomas wirkte wie ein hilfloses Kind. Cassi stellte den Teller auf Ballantines Schreibtisch und ergriff seine Hände.
»Ich habe noch nie im Leben jemand um Hilfe gebeten«, sagte Thomas. »Dazu war ich immer zu stolz. Aber ich weiß, daß ich einige schreckliche Dinge getan habe. Eins führte zum anderen, und dann … Cassi, du mußt mir helfen.«
»Du brauchst psychiatrische Betreuung«, sagte Cassi und achtete genau auf seine Reaktion.
»Ich weiß«, sagte Thomas. »Ich wollte es nur nie zugeben. Ich hatte solche Angst. Und statt mich zu dieser Angst zu bekennen, habe ich noch mehr Tabletten genommen.«
Cassi starrte ihren Mann an. Es war, als hätte sie ihn nie wirklich verstanden. Sie kämpfte mit dem Drang, ihn zu fragen, ob er für ihre Insulinüberdosis verantwortlich war oder ob er etwas mit Roberts Tod zu tun hatte. Oder mit einem der anderen PPT-Fälle. Aber sie brachte es nicht über sich. Er war einfach zu niedergeschlagen.
»Bitte«, flehte er, »laß mich jetzt nicht allein. Es hat mich viel Überwindung gekostet, all das zuzugeben.«
»Du mußt in eine Heilanstalt«, sagte Cassi.
»Das ist mir klar«, meinte Thomas. »Aber auf keinen Fall das Boston Memorial.«
Cassi stand auf. »Du hast
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