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Gottspieler

Gottspieler

Titel: Gottspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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versuchte, ihre Furcht unter Kontrolle zu halten.
    Auch diesmal erfolgte keine Reaktion. Thomas fuhr wie ein Roboter. Sie schossen die Zubringerstraße zur Interstate 93 hinauf, wo sie sich im Betonlabyrinth verloren. So früh am Tag gab es fast keinen Verkehr nach auswärts, und Thomas ließ dem Porsche die Zügel schießen.
    Cassi wandte sich ihm zu, soweit der Sicherheitsgurt es erlaubte. Als sie ihre Hand von seinem Hals zurückzog, wußte sie nicht, wohin damit, und legte sie ihm auf den Oberschenkel. Dabei streifte sie etwas Hartes in seiner Jackentasche. Bevor er reagieren konnte, griff sie in die Tasche und förderte eine offene Packung U 500 Insulin zutage.
    Thomas riß ihr die Packung aus der Hand und schob sie wieder in die Tasche.
    Cassi wandte sich ab und starrte aus dem Fenster. Ihr Verstand raste, als sie zu verstehen begann, was es mit ihrem letzten Insulinschock auf sich gehabt hatte. U 500 Insulin wurde ausgesprochen selten verschrieben, weil es fünfmal stärker war als das normale U100 Insulin. Thomas mußte ihr Medikament durch das viel konzentriertere ersetzt haben, so daß sie sich eine fünfmal höhere Dosis injiziert hatte als sonst. Wahrscheinlich hatte er es direkt durch die versiegelte Plastikkappe der Phiolen gespritzt. Wäre ihr nicht zufällig die Glukoselösung in ihrem Arztkoffer eingefallen, dann läge sie jetzt im Koma, wenn nicht schon in der Autopsiekammer. Und der Vorfall im Krankenhaus? Also hatte sie nicht geträumt, der Geruch des St. Laurent Eau de toilette war keine Täuschung gewesen.
    Aber warum? Weil sie, genau wie Robert, mit der PPT-Studie befaßt war! Plötzlich wurde ihr klar, daß Thomas ihr eben in Ballantines Büro nur etwas vorgespielt hatte, eine fürchterliche Farce. Und daß der Direktor sie für die geistig verwirrte Person gehalten haben mußte, nicht Thomas.
    Sie spürte, wie ein neues Gefühl von ihr Besitz ergriff: Zorn. Einen Moment lang war sie auf sich selbst genauso wütend wie auf Thomas. Wie hatte sie nur so blind sein können?
    Sie betrachtete das scharfe Profil ihres Mannes und sah es unvermittelt in einem anderen Licht. Sein Mund hatte einen grausamen Zug, und seine türkisfarbenen, weit offenen Augen waren die eines Wahnsinnigen. Sie kam sich vor, als säße sie bei einem Fremden im Wagen … einem Mann, den sie instinktiv verabscheute.
    »Du hast versucht, mich zu töten«, zischte sie und ballte die Hände zu Fäusten.
    Thomas lachte so scharf, daß Cassi zusammenzuckte. »Welche Hellsichtigkeit! Hast du wirklich geglaubt, die Telefone und dein Wagen hätten rein zufällig nicht funktioniert?«
    Cassi starrte auf die vorbeifliegende Landschaft. Sie mußte etwas tun! Schon blieb die Stadt hinter ihnen zurück.
    »Natürlich habe ich versucht, dich zu töten«, schnappte Thomas. »Genauso wie ich mir Robert Seibert vom Hals geschafft habe. Lieber Himmel! Hast du denn geglaubt, ich sitze da und sehe zu, wie ihr beide mein Leben zerstört?«
    Cassis Kopf flog herum.
    »Ich wollte nichts anderes, als solche Leute zu operieren, die es verdienen, am Leben zu bleiben«, schrie Thomas. »Keine Geisteskranken, keine Leute mit unheilbaren Krankheiten wie AIDS oder Multipler Sklerose, keine Schwulen. Wir können nicht zulassen, daß wertvolle Patienten warten müssen, während dieser Abschaum kostbare OP-Zeit und knappe Betten mit Beschlag belegt.«
    »Thomas«, sagte Cassi und versuchte, ihren Zorn in den Griff zu bekommen, »ich möchte, daß du auf der Stelle umkehrst. Hast du mich verstanden?«
    Thomas starrte sie mit unverhülltem Haß an. Er lächelte grausam. »Du hast doch nicht im Ernst geglaubt, daß ich freiwillig in eine Irrenanstalt gehe?«
    »Es ist deine einzige Hoffnung«, sagte Cassi. Sie versuchte sich klarzumachen, daß sie mit einem Schwerkranken im Wagen saß, aber alles, was sie fühlte, war abgrundtiefer Ekel.
    »Halt den Mund!« brüllte Thomas. Seine Augen traten aus den Höhlen, und sein Gesicht wurde rot vor Wut. »Ihr Psychiater seid die wirklich Verrückten, und keiner von euch wird über mich zu Gericht sitzen. Ich bin der gottverdammt beste Herzchirurg des ganzen Landes.«
    Die ungezügelte Wut des Narziß neben ihr erfüllte sie mit Grausen. Sie machte sich keine Illusionen darüber, was ihr bevorstand, vor allem da jeder dachte, sie hätte sich bereits selbst zweimal eine Überdosis Insulin gespritzt.
    Die Ausfahrt Somerville flog auf sie zu. Cassi wußte, daß sie etwas unternehmen mußte. Trotz der hohen Geschwindigkeit,

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