Gottspieler
mehr im Pelz sitzt«, sagte Robert mit geschwellter Brust.
»Das glaube ich erst, wenn’s soweit ist«, lachte Cassi.
»Wart’s nur ab«, sagte Robert. »Aber in der Zwischenzeit möchte ich, daß du mir bei einer Autopsie Gesellschaft leistest. Ich habe extra gewartet, bis deine Konferenz vorbei war. Ich muß nur noch den Kollegen rufen, der die Wiederbelebungsversuche unternommen hat.«
Robert ging zu seinem Schreibtisch, um zu telefonieren.
»Eine Autopsie!« entfuhr es Joan entsetzt. »Das war nicht abgemacht. Ich bezweifle, ob ich dem gewachsen bin.«
»Es könnte ganz interessant werden«, sagte Cassi unschuldig, als sei die Teilnahme an einer Autopsie ein amüsanter Zeitvertreib. »Während meiner Zeit in der Pathologie sind Robert und ich auf eine Reihe von Fällen gestoßen, denen wir die Bezeichnung PPT gegeben haben, für Plötzlicher Postoperativer Tod. Es handelte sich ausschließlich um Herzpatienten, die weniger als eine Woche nach ihren Operationen gestorben sind, obwohl die meisten von ihnen sich gut erholten und bei der Autopsie keine anatomischen Ursachen für ihren Tod feststellbar waren. Wären es nur wenige gewesen, hätte man es noch hingehen lassen können, aber nach unseren Unterlagen waren es siebzehn in den letzten zehn Jahren. Der Fall, den Robert jetzt untersuchen möchte, könnte Nummer achtzehn werden.«
Robert legte den Hörer auf, erklärte, daß Jerry Donovan jeden Augenblick da sein müsse, und bot seinen Gästen Kaffee an. Bevor sie auch nur einen Schluck trinken konnten, war Jerry bereits in den Raum gestürzt. Als erstes riß er Cassi in die Arme. Dann schlug er Robert auf die Schulter und sagte: »Prima, Mann, danke für den Anruf.«
Robert zuckte unter der Wucht des Schlags zusammen und zwang sich zu einem Lächeln. Jerry war gekleidet wie ein durchschnittlicher Anstaltsarzt. Sein weißes Sakko, schmutzig und zerknittert, hatte jegliche Form verloren und wurde zusätzlich noch von einem prallen schwarzen Notizbuch in derrechten Tasche ausgebeult. Seine Hose war in Schenkelhöhe mit Blutflecken übersät. Neben Robert wirkte er, als arbeitete er in einem Schlachthof.
»Jerry hat mit Robert und mir zusammen studiert«, erklärte Cassi.
»Gehen wir an die Arbeit«, sagte Robert. »Ich habe eine der Autopsiekammern für uns freihalten lassen.«
Er ging voran, gefolgt von Joan. Jerry trat beiseite, um Cassi vorbeizulassen, dann holte er wieder auf und sagte: »Du kommst nie darauf, wen ich gestern nacht bei seiner großen Nummer beobachten durfte!«
»Ich würd’s nicht mal versuchen«, antwortete Cassi, da sie mit einem von Jerrys seltsamen Scherzen rechnete.
»Deinen Mann! Dr. Thomas Kingsley.«
»Wirklich?« fragte Cassi. »Was hat ein Medizinmann wie du im OP zu suchen?«
»Nichts«, sagte Jerry. »Ich war auf der Krankenstation und habe versucht, den Patienten wiederzubeleben, den Robert gleich untersucht. Dein Mann ist auf unseren Notruf hin gekommen. Ich war mehr als beeindruckt. Ich glaube, eine solche Entschlossenheit habe ich noch nie in meinem Leben gesehen. Er hat dem Burschen praktisch die Brust aufgerissen und ihm gleich auf dem Bett eine Herzmassage verpaßt. Es war einfach sagenhaft. Ist er zu Hause eigentlich auch so beeindruckend?«
Cassi bedachte Jerry mit einem scharfen Seitenblick. Hätte jemand anderer diese Bemerkung gemacht, wäre ihr wahrscheinlich eine scharfe Antwort entfahren. Aber schließlich hatte sie ja mit einem von Jerrys seltsamen Scherzen gerechnet, und das war wieder so einer. Warum also aus einer Mücke einen Elefanten machen? Sie beschloß, die Sache auf sich beruhen zu lassen.
Ohne sich um Cassis alles andere als positive Reaktion zu kümmern, fuhr Jerry fort: »Was mich am meisten beeindruckthat, war nicht, wie er Wilkinsons Brust aufgeschnitten hat, sondern in erster Linie die Entscheidung, es überhaupt zu tun. Eine solche Entscheidung wird mir immer unbegreiflich bleiben. Ich gerate schon in Panik, wenn ich nur überlege, ob man einen Patienten auf Antibiotika setzen soll oder nicht.«
»Chirurgen sind an solche Sachen gewöhnt«, meinte Cassi. »Für sie haben derartige Entscheidungen manchmal schon den Charakter eines Tonikums. In gewisser Weise genießen sie das.«
»Genießen?« fragte Jerry ungläubig. »Klingt fast unvorstellbar, aber vermutlich hast du recht; sonst gäbe es wohl keine Chirurgen. Der größte Unterschied zwischen einem Internisten und einem Chirurgen ist wahrscheinlich die Fähigkeit,
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