Gottspieler
hatte das herrliche Gefühl, völlig isoliert und von aller Welt abgeschnitten zu sein.
Noch nie war sie so verliebt gewesen, und noch nie hatte Thomas sich so aufmerksam gezeigt. Sie verbrachten den Nachmittag damit, per Fahrrad auf malerischen Landstraßen entlangzugondeln und an der Küste spazierenzugehen. Zu Abend speisten sie in einem nahegelegenen französischen Restaurant. Ihr von Kerzenschein erhellter Tisch stand im Schutz einer Dachfensternische, von der aus man einen herrlichen Ausblick auf den Hafen von Nantucket hatte. Die Lichter der vor Anker liegenden Segelboote spiegelten sich auf dem Wasser wie das Funkeln edler Steine. Die Krönung des Abendessens war Cassis Examensgeschenk, das Thomas ihr zwischen Dessert und Kaffee überreichte. Es handelte sich um eine kleine, mit blauem Samt ausgeschlagene Schachtel, in der die schönste dreireihige Perlenkette lag, die für sie jemals das Licht der Welt erblickt hatte. Vorne wurde sie von einem großen Smaragd gesichert, der wiederum einen Kranz aus Diamanten trug. Als Thomas ihr die Kette umlegte, erklärte er, daß die Schließe ein altes Familienerbstück sei, das seine Urgroßmutter aus Europa mitgebracht hatte.
Später, in der Nacht, entdeckten sie, daß das imposante Himmelbett in ihrer Suite einen gravierenden Makel hatte: Es quietschte erbärmlich, wann immer sie sich bewegten. Sie ließen sich dadurch ihr Vergnügen aber nicht schmälern; im Gegenteil, sie brachen immer wieder in unkontrolliertes Gelächter aus, und Cassi hatte eine weitere wunderbare Erinnerung an dieses Wochenende.
Ihre Träumerei wurde abrupt unterbrochen, als Thomas den Porsche mit einem Ruck vor der Garage zum Stehen brachte. Er beugte sich an ihr vorbei, griff ins Handschuhfach und drückte den Knopf für das automatische Tor.
Der wie das Hauptgebäude mit verwitterten Schindeln gedeckte Garagenbau stand etwas abseits. Im oberen Geschoß befand sich eine kleine Wohnung, die ursprünglich für Dienstboten gedacht war, und in der jetzt Thomas’ verwitwete Mutter, Patricia Kingsley, residierte. Am Tag nach der Hochzeit war sie vom Herrenhaus hierher umgezogen.
Der Porsche donnerte in die Garage, wo der Motor mit einem letzten Röhren den Geist aufgab. Cassi stieg vorsichtig aus, um nicht mit der Tür an ihren eigenen kleinen Chevy zu stoßen, der neben dem Porsche stand. Thomas liebte seinen Wagen fast so sehr wie seinen rechten Arm. Sie achtete auch darauf, die Tür nicht zu heftig zu schließen, obwohl sie daran gewöhnt war, Autotüren einfach zuzuknallen, was bei dem alten Ford Sedan ihrer Familie unumgänglich gewesen war. Zulebhaft stand ihr vor Augen, wie aschbleich Thomas jedesmal wurde, wenn sie trotz seiner Belehrungen über das ausgeklügelte Innenleben des Porsche in ihre alte Gewohnheit zurückfiel.
»Wurde aber auch Zeit«, verkündete Harriet Summer, ihre Haushälterin, als sie in die Diele traten. Um ihr Mißvergnügen zu unterstreichen, achtete sie darauf, daß Cassi und Thomas nicht übersehen konnten, wie sie auf ihre Armbanduhr blickte. Harriet Summer hatte bereits für die Kingsleys gearbeitet, als Thomas noch gar nicht geboren war. Sie war die treue Dienerin der Familie, wie sie im Buche steht, und als solche wollte sie auch behandelt werden. Cassi hatte das sehr schnell gelernt.
»In einer halben Stunde steht das Essen auf dem Tisch. Wenn Sie nicht pünktlich sind, wird es kalt. Heute abend kommt meine Lieblingsshow im Fernsehen, Thomas, ich verschwinde also um halb neun, komme was da wolle.«
»Keine Sorge, wir sind pünktlich«, sagte Thomas und legte den Mantel ab.
»Und hängen Sie den Mantel auf den Bügel«, sagte Harriet. »Ich habe keine Lust, dauernd hinter Ihnen herzuräumen.«
Thomas tat wie geheißen.
»Wie geht’s Mutter?« fragte Thomas.
»Es geht ihr, wie’s ihr immer geht«, sagte Harriet. »Sie hatte ein gutes Mittagessen und wartet darauf, zum Abendessen herübergerufen zu werden, also sputen Sie sich!«
Thomas und Cassi gingen die Treppe zum ersten Stock hinauf. Wie immer wunderte Cassi sich über die Veränderung, die sie bei ihrem Mann beobachtet hatte. In der Klinik erschreckte er alle mit seiner herrischen, aggressiven Art, aber kaum hatten Harriet oder seine Mutter einen Auftrag für ihn, gehorchte er sofort wie ein braver Junge.
Oben angelangt, wandte Thomas sich seinem Arbeitszimmer zu und sagte: »Bis nachher.« Er wartete ihre Antwort garnicht erst ab, was Cassi nicht sonderlich überraschte. Sie ging weiter, den
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