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Gottspieler

Gottspieler

Titel: Gottspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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verdrossen. »Endlich ist die Wahrheit ans Tageslicht gekommen.«
    »Du weißt genau, was ich meine, Harriet«, sagte Patricia mit einem flatternden Wink ihrer linken Hand.
    Harriet verdrehte die Augen und begann zu servieren.
    »Thomas, wann läßt du dir endlich wieder mal das Haar schneiden?« fragte Patricia.
    »Sobald ich eine freie Minute habe«, antwortete Thomas.
    »Und wie oft soll ich dir noch sagen, daß die Serviette nicht zum Vergnügen auf dem Tisch liegt?«
    Thomas zog die Serviette aus dem Silberring und warf sie sich auf den Schoß.
    Patricia Kingsley schob sich einen Happen in den Mund und begann zu kauen. Ihren hellblauen Augen entging keine Bewegung der Anwesenden, und sie wartete nur auf den kleinsten Ausrutscher. Ihr angenehmes Äußeres und das grauweiße Haar konnten nicht darüber hinwegtäuschen, daß sie einen eisernen Willen hatte. Tiefe Falten führten von ihrem Mund hinunter zum Kinn wie die Speichen eines Rads. Sie war ganz offensichtlich einsam, und Cassi fragte sich immer wieder, warum sie nicht irgendwo hinzog, wo sie Freunde in ihrem Alter hatte. Natürlich war der Gedanke nicht ganz uneigennützig. Nachdem sie drei Jahre lang fast jeden Abend in Gesellschaft von Patricia Kingsley gegessen hatte, sehnte Cassi sich nach einem etwas romantischeren Tagesende. Aber obwohl diese Sehnsucht sehr stark war, sagte sie kein Wort, denn seit dem ersten Tag hatte sie sich von der alten Frau eingeschüchtert gefühlt. Sie wollte sie auf keinen Fall vor den Kopf stoßen, denn damit hätte sie sich unweigerlich den Zorn ihres Mannes zugezogen.
    Im großen und ganzen aber kam Cassi gut mit Mrs. Kingsley aus, wenigstens von ihrem Standpunkt aus gesehen, und sie empfand sogar etwas Mitleid mit der alten Frau, die da mitten im Nichts über der Garage ihres Sohnes wohnte.
    Nachdem Harriet mit dem Auftragen fertig war, verlief das Essen in Schweigen, abgesehen von dem Klirren des Silberbestecks gegen die Porzellanteller. Erst als alle fast fertig waren, ergriff Thomas das Wort: »Meine Operationen heute sind ausgesprochen erfolgreich verlaufen.«
    »Ich will von Tod und Krankheit nichts hören«, sagte Mrs. Kingsley. Sie wandte sich an Cassi und fuhr fort: »Thomas ist genau wie sein Vater, immer will er über seinen Beruf reden. Noch nie habe ich aus seinem Mund etwas von Bedeutung gehört. Manchmal denke ich mir, daß ich besser drangewesen wäre, wenn ich nie geheiratet hätte.«
    »Das meinen Sie doch nicht im Ernst«, sagte Cassi. »Dann hätten Sie ja niemals einen so außergewöhnlichen Sohn gehabt.«
    »Ha!« rief Patricia Kingsley. Ihr plötzlicher Ausbruch hallte im Zimmer nach und ließ den Waterford-Kronleuchter erzittern. »Das einzige wirklich Außergewöhnliche an Thomas ist, wie sehr er seinem Vater ähnelt. Er wurde sogar mit einem Klumpfuß geboren, genau wie mein Mann.«
    Cassi ließ ihre Gabel sinken. Darüber hatte Thomas nie gesprochen. Sie stellte ihn sich als Baby mit einem verdrehten, anormal geschwollenen Fuß vor, und eine Welle der Sympathie stieg in ihr auf, obwohl seine Miene keinen Zweifel daran ließ, wie wütend er über die Enthüllung seiner Mutter war.
    »Er war ein hinreißendes Baby«, fuhr Patricia Kingsley fort, blind für den unterdrückten Zorn ihres Sohns. »Und später ein hübsches, hinreißendes Kind. Wenigstens bis zur Pubertät.«
    »Mutter«, warnte Thomas sie mit leiser Stimme. »Ich denke, du hast genug gesagt.«
    »Du hast den Mund zu halten. Ich bin zwei Tage lang hier allein gewesen, mit Ausnahme von Harriet, und ich sollte reden dürfen, wenn mir danach ist.«
    Mit einem wütenden Blick beugte Thomas sich wieder über sein Essen.
    »Thomas«, rief seine Mutter nach kurzem Schweigen, »bitte nimm die Ellbogen von der Tischplatte.«
    Thomas stieß seinen Stuhl zurück und stand auf, das Gesicht zornig gerötet. Ohne ein weiteres Wort warf er seine Serviette auf den Tisch und verließ den Raum. Cassi hörte ihn die Treppe hinaufstampfen. Die Tür zu seinem Arbeitszimmer knallte. Der Kronleuchter klirrte leise.
    Wieder einmal befand sich Cassi zwischen den Fronten. Sie zögerte und wußte nicht, wie sie sich am besten verhalten sollte. Dann stand sie auf, um Thomas zu folgen.
    »Cassandra«, sagte Patricia scharf. Dann fügte sie in beinahe kläglichem Tonfall hinzu: »Bitte setzen Sie sich. Lassen Sie das Kind in Ruhe. Essen Sie. Ich weiß, daß Diabetiker essen müssen.«
    Verwirrt setzte Cassi sich wieder.
     
    Thomas marschierte in seinem

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